Kundgebung gegen die Verschärfung des Polizeigesetzes

Gestern hat das Aktionsbündnis gegen die Verschärfung des Polizeigesetzes Saarland, in dem wir auch mitarbeiten, eine Kundgebung auf dem Tbilisser Platz organisiert, heute fanden sich einige Aktivist_innen vor dem Landtag zusammen

Hier unsere Rede:

Liebe Genoss_innen, liebe Freund_innen,

wir demonstrieren heute gegen die von der Saarländischen Landesregierung drohenden Angriffe auf weitere bürgerlichen Rechte durch das geplante Polizeigesetz, welches die Möglichkeiten zur präventiven Totalüberwachung der Bevölkerung weiter ausbaut und die verstärkte Militarisierung der Landespolizei weiter vorrantreibt. Dass dieser Angriff still und heimlich im Windschatten von Corona erfolgen soll unterstreicht noch einmal die besondere Niederträchtigkeit der Überwachungsextremisten von CDU und SPD, und im Besonderen die des Innenministers Boullion. Damit nimmt er sich ein Vorbild an den Autokraten dieser Welt, wie beispielsweiße Viktor Orban.

Dadurch soll eine öffentliche Debatte und eine organisierte Gegenbewegung auf den Straßen vermieden werden! Die Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen uns, dass der Protest dagegen breit gefächert und groß sein kann. Das wir heute hier stehen zeigt,dass der Plan so einfach nicht aufgehen wird!

Das Gesetz reiht sich ein in die jahrzehntelang sich vollziehende antidemokratische Formierung in den deutschen Staatsapparaten, vorangetrieben durch angebliche Demokraten! In der Innenministerkonferenz 2017 drängte man auf eine Vereinheitlichung der Landespolizeigesetze, unter Anderem auch um die in NRW, Bremen und Berlin verbotene Schleierfahndung bundesweit möglich zu machen. Zur Durchsetzung dieser Vereinheitlichung greift man auf die förderalistischen Methoden zurück, welche man ansonsten antidemokratisch aushöhlt. Zur Verunmöglichung einer bundesweiten schlagkräftigen Bewegung gegen die Angriffe auf demokratische Rechte ist der Förderalismus scheinbar noch gut zu gebrauchen. 

Schon in den letzten Jahren gab es massive Veränderungen in den repressiven Staatsapparaten. Die von den Westallierten 1949 als Lehre aus dem Nazifaschismus gebotene Trennung von Geheimdienst, Militär und Polizei wird eingerissen. Die Polizei wird militarisiert und auf Bürgerkriege und Aufstände im Innern vorbereitet, die Bevölkerung wird zunehmend an Bundeswehreinsätze im Innern gewöhnt, auch dafür wurde die Pandemie genutzt. Gemeinsame Übungen von Polizei und Bundeswehr finden vermehrt statt. Durch den Staatsschutz gibt ein eine politische Polizei, deren Mitarbeiter_innen auch teilweise, wie z.B in Bremen für den sogenannten „Verfassungsschutz“ tätig waren. So wird auch die Trennung von Polizei und Geheimdienst immer weiter ausgehöhlt. 

Zu diesem vor unseren Augen vorangetriebenen Staatsumbau kommt durch die vorangetriebene öffentliche Überwachung durch Kameras an öffentlichen Plätzen, sogenannten „Bodycams“ für Sicherheitskräfte die offene Veränderung des Auftretens gegen die Bevölkerung. Das Vokabular, welches unter anderem von Polizeigewerkschaften oder sonstigen autoritären Lobbygruppen für Bürger_innen bemüht wird, ist „Polizeifremde“. In dieser der Bevölkerung feindlich gegenüberstehenden Ordnungsmacht reiht sich auch das geplante Saarländische Polizeigesetz ein. Dieses will unter Anderem die anlasslose und verdachtsunabhängige Überwachung von Menschen und will damit eine Errungenschaft des bürgerlichen Rechts aushebeln, die Unschuldsvermutung.

In der Praxis, werden durch diese Maßnahme an neuralgischen Punkten wie Bahnhöfen, Fußgängerzonen Überwachungssysteme installiert welche fähig sind, jedes Gesicht in hoher Auflösung zu erfassen und es durch eine Software zu identifizieren und zu speicher. Dadurch ist es möglich über weitere vorhandene Datenbanken die Laufwege oder Fortbewegungsmittel von Menschen genau zu analysieren, ohne das es einen Grund gibt.  Dies ist Ausdruck eines tief sitzenden Misstrauens und der Beleg dafür das grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien aufgegeben werden. Was uns der Innenminister wie folgt präsentiert: „..das neue Gesetz bietet mehr Einsatzmöglichkeiten für die Polizei und somit mehr Sicherheit für uns alle“¹ ist nichts als eine Farce, was als Stärkung des Rechtsstaates verkauft wird nichts anderes als ein offener Angriff auf Grund- und Freiheitsrechte. Jede_r wird zum potenziellen Täter und muss überwacht werden. Das ist ein offener Bruch mit den Prinzipien des bürgerlichen Rechtsstaates durch eine bürgerliche Regierung.

Rechtsstaatliche Prinzipien werden ersetzt durch die Willkür der Sicherheitsbehörden. Genausowenig wie dieser Staat neutral ist oder die Polizei unpolitisch ist sind auch die Folgen dieser Ermächtigung der Polizei zu ihrer Freiheit nicht nach rechtsstaatlichen Prinzipien sondern nach ihrem Ermessen: Eben Polizeiwillkür statt bürgerliches Recht. Dieses Ermessen war historisch nie neutral: Beginnend mit blutigem Terror gegen die Arbeiter_innenbewegung über die Unterstützung der Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden und der aktiven Beteiligung am Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion führt die Kontinuität zur Ausbildung von konterrevolutionären Mörderbanden in Brasilien oder dem Sudan heute. Wie in der Weimarer Republik kommt es immer wieder zur Bildung von Nazi-Zellen innerhalb der Polizei, welche die gesammelten Daten über politische Feinde und sogar von Anwälten der Opfer des NSU sammeln um diesen zu drohen, wie beim NSU 2.0 in Frankfurt oder bei 47 Antifaschist_innen in Berlin. 

Das Problem sind jedoch nicht nur Nazis in der Polizei, sondern die gesamte Polizei. Diese ist charakterisiert durch eine vehemente Verweigerung von unabhängigen Kontrollinstanzen,    einer institutionellen Intransparenz sowie einem Korpsgeist, welcher Täter in den eigenen Reihen schützt und demokratisch gesinnte Polizist_innen einschüchtern soll. So starben seit 1993 laut der Initiative „Death in Custody“ 138 von Rassismus betroffene Menschen in Polizeigeahrsam oder durch Schüsse der Polizei. Racial Profiling ist an der Tagesordnung. Die rassistische Nennung der Herkunft von Täter_innen scheint seit 2015 in der deutschen Öffentlichkeit durchgesetzt. Während in der deutschen Öffentlichkeit rassistische Polizeigewalt in den USA wie in diesen Tagen immer wieder entlarvt wird, schweigt man lieber über die deutschen Zustände. Rassistische Polizeigewalt wird nur punktuell thematisiert, wenn es, wie beim Mord an Oury Jalloh von Angehörigen und antirassistischen Initiativen in mühevoller Kleinarbeit immer wieder in die Öffentlichkeit getragen wird. 

Meistens werden Täter_innen der Polizei nicht belangt, wegen Falschaussagen der Kolleg_innen, Vertusching im Justizapparat oder weil die Betroffenen sich schlicht nicht mehr trauen Polizist_innen anzuzeigen. 

Deshalb halten wir es für nötig, nicht immer wieder darauf reinzufallen, lediglich einzelne Verschärfungen und das neueste antidemokratische Vorpreschen der Regierungen verhindern zu wollen. Für ein wirklich demokratischen Programm müssen wir selbst in die Offensive kommen und es muss jetzt direkt Einiges geschehen. 

Sicherheit bedeutet im Kapitalismus vor allem den Schutz des Privateigentums an Produktionsmitteln, also dem Diktat der Kapitalisten über die Arbeiter_innen. Die berühmte Losung für „Ruhe und Ordnung zu sorgen“ bedeutet die sozialen Verwerfungen dieser Gesellschaft unsichtbar zu machen.  

Diese Interessen schützt dieser Staat maßgeblich. Das ist der Kern dessen, wenn sie von Sicherheit reden. Es geht  primär darum die Eigentumsverhältnisse des Kapitals zu schützen und nicht darum die Freiheit von den ihm Beherrschten zu ermöglichen. Das zeigt sich jedes Jahr wieder wie unter dem Brennglas wenn z.B die Umweltbewegung im RWE Tagebau zusammen mit dem Werkschutz gejagt wird. Hier stört es nicht wenn Knochen durch Polizisten gebrochen werden oder der Werkschutz Veraftungen vornimmt. Was andere staatliche Geheimdienste sich alles an unfassbarer Inkompetenz erlauben sieht man gerade in Berlin, dort hat der Verfassungschutz die Gruppe „Ende Gelände“ als „linksextrem“ eingestufft. Das ist ein offensichtliches Manöver  um Klimaschutzaktivisten zu diskreditieren und jede Kaptialismuskritik zu kriminalisieren.

Es ist lobenswert, dass sich manche Parteien oder zumindest ihre Jugendorganisationen gegen diese Kriminalisierung und im Saarland auch gegen das Polizeigesetz aussprechen. Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass die Polizeigesetze keine Projekte der politischen Rechten sind. In anderen Bundesländern haben Sozialdemokraten von SPD und Linkspartei, die Grünen und die FDP ähnliche Gesetze umgesetzt, auch ohne Regierungsbeteiligung der CDU. Das zeigt uns, dass wir uns im WIderstand gegen Überwachung und Militarisierung nicht auf die bürgerlichen Parteien verlassen dürfen.

Wir stehen heute nicht hier, weil wir einzelne Passagen aus dem Gesetz streichen wollen, um die Klassenherrschaft weiter in eine demokratische Hülle zu kleiden. Wir sehen dieses Gesetz im Zusammenhang mit der Taktik des Staates demokratische Errungenschaften nach 1945 Stück für Stück auszuhöhlen und zu kassieren um sich gegen Aufstände in kommenden Wirtschaftskrisen und für die Konfrontation gegen Konkurrenten um Absatzmärkte und Extraprofite fit zu machen. 

Deshalb halten wir es für nötig, nicht immer wieder darauf reinzufallen einzelne Verschärfungen und das neueste antidemokratische Vorbreschen der Regierungen zu verhindern. Für ein wirklich demokratischen Programm müssen wir selbst in die Offensive kommen und es muss jetzt direkt einiges geschehen: Zum Beispiel:

  • Die Trennung von Polizei, Militär und Geheimdienst muss hergestellt werden!
  • Die Polizei muss unter eine unabhängige, demokratische Kontrolle gestellt werden!
  • Aus der Polizei müssen alle Elemente mit rassistischer und faschistischer Gesinnung sofort entfernt werden!
  • Regierungen, die die demokratischen Errungenschaften aushöhlen und Überwachung und Militarisierung vorantreiben müssen daran gehindert werden!

Unter diesen demokratischen Kernforderungen kann es keine wirkliche Bewegung gegen, die sich der autoritären Formierung im Kapitalismus entgegenstellt.

Um jedoch wirkliche Sicherheit zu gewährleisten, Sicherheit nicht im Sinne der Aufrechterhaltung des Kapitalismus, sondern im Interesse der Mehrzahl der Bevölkerung, um Sicherheit für die Ausgebeuteten und Unterdrückten zu erkämpfen oder um der Überwachung und Repression dieses Staates zu entkommen muss dieser Staat gestürzt werden und Ordnungs- und Sicherheitsorgane sowie ein Recht in unserem Interesse geschaffen werden. 

Deshalb:

Freiheitsrechte verteidigen – Boullions autoritäre Fantasien sabotieren – Saarländischen Polizeigesetz verhindern!

Die Angriffe auf die Demokratie zurückschlagen!

Sicherheit und Freiheit für die Arbeiter_innen und Unterdrückten!

Sozialismus statt Polizeiwillkür!