Redebeitrag zum Internationalen Frauenstreik am 8. März 2019 in Saarbrücken

 

Liebe GenossInnen, liebe FreundInnen,
Karl Marx beschrieb den Kapitalismus als ein Verhältnis, in welchem der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes und ein verächtliches Wesen ist. Wir müssen hinzufügen: Die Frau ist es im Besonderen.
Denn die Zumutungen des Kapitalismus betreffen Frauen in einer potenzierten Form. Dieses System, dass die Erfüllung der Bedürfnisse aller Menschen nie realisiert hat und nie realisieren kann, konstituiert sich auch durch das Patriarchat und führt dadurch zu einer noch dominanteren gesellschaftlichen Verweigerung der Erfüllung von Bedürfnissen der Frauen. Wenn wir die Phänomene der globalen Ausbeutung und Gewalt betrachten, wird klar, das gerade die verächtlichsten Formen dieser Ausbeutung vor allem Frauen betreffen. So hat sicher noch niemand von den „Nähern aus Bangladesch“ gehört, noch kennt der Duden Begriffe wie „Männerhandel“ oder den „Maskulizid“.
Selbst bürgerliche Menschenrechte gelten für den Großteil der Frauen weltweit nicht. Die Selbstbestimmung der Frau als ökonomisches und politisches Subjekt, geschweige denn die körperliche Selbstbestimmung, sind international nur ansatzweise verwirklicht. Ganze Zweige der Ökonomie, am augenscheinlichsten das Prostitutionsgewerbe, dienen in erster Linie der Ausbeutung und der Unterdrückung von Frauen.
Prostitution stellt dabei das Paradebeispiel dafür dar, wie die Ausbeutung durch den Kapitalismus und die Unterdrückung durch das Patriarchat zusammenfallen. Hier verfehlt die Analyse, Sexarbeit sei auch nur Lohnarbeit, ihr Ziel, da ignoriert wird, dass die Prostitution nicht in allen Aspekten der Marktlogik unterliegt. So ist zum Beispiel die Nicht-Austauschbarkeit der Geschlechter ein Alleinstellungsmerkmal im Gegensatz zur herkömmlichen Lohnarbeit. Auch besser bezahlte marktförmige weibliche Sexualität lebt gerade davon, dass sie eine vermeintliche Einvernehmlichkeit in die Ware integriert. Die Sexualität der Sexarbeiterinnen gehört eben nicht mehr ihnen und ist deshalb das Gegenteil von selbstbestimmter weiblicher Sexualität. Diese Ausbeutung wird also erst durch die Wirkung des Patriarchats möglich gemacht. Die Liberalisierung der Prostitutionsgesetze hat in der BRD zu einer Zunahme von Zuhälterei geführt, aber kaum zu einer Verbesserung. Wie man in Saarbrücken sehen kann, sind Straßenstrich und Großbordelle dadurch nicht zurückgegangen. Und die Stadt verdient letztlich durch die Masse der Freier kräftig mit und lässt so außer der Verdrängung der Probleme nichts Nachhaltiges gegen die Prostitution zu. Die Freier halten diese Institution am Leben und damit auch eine frauenfeindliche Gesellschaft. Sie befeuern die schon vorher erzeugte Objektifizierung und Verachtung von weiblicher Sexualität. Daher gilt für uns: Wir dürfen diese Institution nicht verteidigen, und auch nicht ihre Profiteure, die Zuhälter und Freier, sondern müssen unsere Kraft dafür aufwenden, sie zu überwinden!

Die Herrschaft des Patriarchats ist in allen bestehenden Gesellschaften vorhanden, auch in der BRD. Das zeigt sich sowohl ökonomisch in der Gender Pay Gap und der Verteilung von Reproduktionsarbeit, als auch bei den Verboten um Abtreibung in der juristischen wie in der gesellschaftlichen Dimension. So ist es für Frauen längst nicht erreicht, eine Existenzberechtigung im öffentlichen Bereich zu haben, als Raum der frei ist von Angst und Gewalt. All das besteht weiter trotz Jahrhunderte alter Frauenbewegungen.
Hier zeigt sich die Widersprüchlichkeit und das notwendige Versagen des liberalen Feminismus, der von Kapitalismus nicht sprechen möchte, wenn es um die Befreiung der Frau geht. Liberaler Feminismus ist selbst längst Teil des Systems geworden. Auf der einen Seite sind die Belange von Frauen in den staatlichen Verwaltungsapparaten integriert und können so durch diesen kontrolliert werden, zum anderen wird die konstruierte Weiblichkeit längst als Profitfaktor in Unternehmen integriert und Feminismus zum hohlen Konsumprodukt gemacht. Frauenbeauftragte, Managerinnen mit „weiblichem Führungsstil“ und H&M-Shirts mit „I`m a Feminist“-Aufdruck schaffen nämlich das grundsätzliche Missverhältnis des Patriarchats keineswegs ab, sondern spielen ihm in die Hände. Mit Feminismus als Konsumprodukt wird heute Kasse gemacht. Feminismus wird von einem emanzipatorischen Interesse, nicht Gewalt und Ausbeutung zu erfahren, zu einem reinen Lifestyle umdefiniert. Unter diesem Lifestyle leiden zudem, international betrachtet, dann einfach andere Frauen weiter. Für ein „feministisches“ Shirt wird die angeführte Näherin in Bangladesch schließlich ebenso brutal ausgebeutet, wie für jedes andere Textilprodukt auch.
Andere FeministInnen wollen dagegen am liebsten die Frau als Subjekt gar nicht mehr anführen und in einer bunten Diversitywolke von unendlichen Geschlechtsidentitäten auflösen. Doch wie soll in einer Gesellschaft, in welcher das Subjekt Frau eben durch das Patriarchat als das andere Geschlecht wie auch durch den Kapitalismus als das potenziert ausgebeutete Subjekt immer wieder hergestellt wird, dieses Auflösen erfolgreich sein? Gerade wegen dieser Fehlleistungen der queerfeministischen Theorie braucht es umso mehr eine materialistischen Analyse von der Stellung von Frauen in der Gesellschaft.

Frauen kämpfen jedenfalls unabhängig dieser revisionistischen Theorien weiter als politische Subjekte: Ob unter dem Leitspruch „Ni una menos!“ gegen Femizide, durch die kurdischen Fraueneinheiten in ihrem Kampf gegen den Djihadismus, die Millionen in Indien gegen Ausgangssperren, sexuelle Gewalt und Ausbeutung oder in Israel als „Women of the Wall“ für Gleichbehandlung im öffentlichen Raum wird uns gezeigt: Frauen kämpfen weltweit.Der internationale Frauenstreik, das Erheben gegen die doppelte Ausbeutung in der Reproduktionsarbeit und in der Lohnarbeit, offenbart ganz klar: Der Kampf um feministische Emanzipation und der Klassenkampf sollten Hand in Hand gehen!
Frauen mussten sich ihre Autonomie immer erkämpfen, selbst in der ArbeiterInnenbewegung, und müssen das auch heute noch überall auf der Welt tun. Dabei geht es eben nicht nur um eine rechtliche Gleichstellung, sondern um eine direkt Gesellschaftliche.Für uns gilt daher: Wir müssen den Feminismus vor der totalitären Vereinnahmung durch Kapital und Patriarchat konsequent verteidigen!
Der Kampf für die Befreiung der Frau ist keineswegs eine gerade Linie Richtung Erfolg. Die Sowjetunion war vor 80 Jahren unter Anderem bei der Legalisierung von Abtreibungen bereits weiter als die BRD heute. Dieser Aufbruch wurde zunächst von regressiven Tendenzen im realen Sozialismus zurückgedreht und schließlich durch die reaktionäre, antifeministische Agenda der postsozialistischen Gesellschaften nach und nach vergessen gemacht.

Auch heute wollen die reaktionären Kräfte dieser Gesellschaft hinter die Errungenschaften der Frauenbewegung zurückfallen.Nicht nur Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus sind wieder auf demVormarsch, sondern auch Misogynie und Antifeminismus. Egal ob dies von der völkischen Rechten, vom Islam oder der sogenannten Mitte ausgeht.
Die Verhältnisse erfordern eine feministische Bewegung welche Patriarchat und Kapitalismus gleichsam ablehnen und bekämpfen. Um diese Kämpfe zum Erfolg zu führen, muss der Feminismus sich seiner Geschichte, seinen verlorenen und erfolgreichen Kämpfen, bewusst werden.

Gegen die Vereinnahmung des Feminismus als Konsumprodukt!Gegen Allianzen mit KulturrelativistInnen und IslamistInnen und gegen den Antisemitismus in der Frauenbewegung!Für eine feministische Praxis, welche vom gesellschaftlichen und politischen Interesse von Frauen ausgeht!Eine solche feministische Kritik und Praxis kann den in den Frauenstreiks auf der ganzen Welt angelegten internationalistischen Charakter nicht nur proklamieren, sondern auch verwirklichen.Für die Befreiung der Frau! Gegen Kapitalismus und Patriarchat!