Demo gegen die AfD – Rede am Schloss

Vielen Dank, dass ihr so laut und zahlreich hier seid! Auch hier auf dem Schlossplatz möchten wir von ConnAct noch ein paar Sätze verlieren:

„Alle zusammen gegen den Faschismus“ und „Siamo tutti antifascisti“ dürfen nicht nur Phrasen bleiben, sondern müssen auch Handlungsmaxime werden. Was meinen wir damit? Es gibt den Spruch: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ und so ist es auch. Einige von euch waren heute vielleicht zum ersten Mal bei einem Gegenprotest gegen eine rechte Veranstaltung – und das ist super! Es ist wichtig, den Rechten zu zeigen, dass sie nicht machen können, was sie wollen. Ob in der Stadt oder auf dem Land: die Nazis müssen immer und überall Widerstand spüren. 

Aber Antifaschismus ist nicht nur auf Gegenproteste beschränkt. Antifaschismus bedeutet auch, in der Kneipe, im Betrieb oder in der Familie Rechte zu konfrontieren. Sie müssen merken, dass sie ihren Müll besser für sich behalten sollen. Natürlich braucht das Überwindung, aber auch hierbei gilt: zusammen sind wir stärker. Sucht nach Verbündeten, organisiert euch. Die Angst darf nicht bei den Betroffenen sein. Die Nazis müssen wieder Angst haben Nazis zu sein. Wir alle tragen die Verantwortung dafür, dass die Angst die Seiten wechselt. Wir betreiben hier heute nicht nur Meinungsäußerung, sondern richten unseren Protest aktiv gegen die Veranstaltung der AfD.

Am besten wäre es natürlich, wenn die Rechten überzeugt werden können, dass ihre Positionen falsch sind. Bei Leuten mit noch nicht gefestigtem Weltbild mag das manchmal funktionieren. Aber leider ist es meist nicht nur vertane Zeit, mit Rechten zu reden, sondern es hilft ihnen auch insofern, dass sie letztlich doch ihre giftigen Ideen in den Diskurs säen können. Wenn diese Diskurse dann öffentlich sind – ob bei Lanz, bei Podiumsdiskussionen oder Social Media – , gewinnen schließlich immer die rechten Demagogen, denn ihr Populismus interessiert sich nicht für Fakten oder logische Analyse. Den Erfolg dieser Diskursverschiebung sieht man daran, dass die Regierung in Teilen Politik macht, die den Forderungen der AfD entspricht. Deswegen darf ein Antifa-Protest auch nicht zu einer Wahlkampfveranstaltung der Ampelparteien werden.

Eine Konsequenz von dem Gesagten ist aber auch, dass wir uns vom Distanzieren distanzieren. Das hat nichts mit fehlender Kritik zu tun, aber je mehr wir uns von Menschen mit den gleichen Zielen distanzieren, desto schwächer werden wir alle. Antifas werden weltweit, aber auch in Deutschland, immer wieder wie Staatsfeinde Nr. 1 behandelt. Unsere Solidarität darf hier nicht aufhören. Nicht diejenigen, die die Deportationen unserer Freund:innen, Nachbar:innen und Kolleg:innen planen, sondern diejenigen, die sie bekämpfen werden bundesweit gesucht. Auf Aktenzeichen XY wird nicht nach den 500 gesuchten und untergetauchten Nazis gefahndet, sondern nach einem Antifaschisten. Die Geschichte Deutschlands zeigt, dass sich die antifaschistischen Kräfte der Gesellschaft nicht spalten dürfen, dass wir trotz unserer Unterschiede den Kampf gegen den Faschismus vereint führen müssen. Und gerade das Saarland zeigt, dass diese antifaschistische Einheit möglich ist. Die weltweit erste Einheitsfront-Kundgebung gegen den Faschismus, bestehend aus SPD, KPD und christlichen Antifaschist:innen, fand 1934 in Sulzbach statt. Das ist das Bündnis, das ist die Einheit, die wir schaffen müssen. Die heutige Demonstration ist ein Auftakt dafür. Die Breite des Bündnisses ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wir dürfen uns nicht spalten lassen, ob friedlich oder militant: wir ziehen alle am selben Strang!

Aktiver Antifaschismus lebt auch von einer aktiven Erinnerungskultur. Auch dieser Ort, an dem wir uns versammelt haben, zeigt die Kontinuität der deutschen Geschichte auf: im Jahr 1935 wurde in diesem Schloss ein Gestapo-Gefängnis eingerichtet. 1940 wurden genau hier auf dem Platz Jüdinnen und Juden zusammengetrieben und zur Deportation vorbereitet. 1999 fand hier in der VHS eine Ausstellung statt, die die Verbrechen der Wehrmacht thematisierte. Dagegen machten damals übrigens nicht nur Neonazis Stimmung, sondern auch ganz prominent die CDU. Auf diese Ausstellung wurde ein Bombenanschlag verübt. Mutmaßlich vom NSU-Netzwerk. Es ist wichtig, dieses Geschichtswissen lebendig zu halten. Dieser Ort ist nicht zu denken ohne den Faschismus, Deutschland ist nicht zu denken ohne Auschwitz. Die Parole lautet „Kein Vergeben! Kein Vergessen!“.  

Kein Vergessen heißt die deutsche Kontinuität zu benennen. Es heißt nicht vergessen dass auch die BRD von den Nazis maßgeblich aufgebaut wurde. Dass die deutsche Demokratie selbst faschistische Strukturen hervorbringt, finanziert und erlaubt. Es hat im Westen schlicht keine Entnazifizierung gegeben. Anstatt Nazi-Strukturen rigoros zu zerschlagen, setzt der Staat lieber auf Spitzel und finanziert sie sogar damit. Genau hieran scheiterte auch das erste Verbotsverfahren gegen die NPD. Wird hieran das AfD Verbot scheitern? Hans Georg Maaßen wird es wissen.

Staat und Politik gehen nicht gegen diese Netzwerke vor, wenn Menschen sterben, sondern erst wenn sie den Staat gefährden. Doch erfolgreicher Antifaschismus will die Faschisten nicht nur von der Machtoption fernhalten, sondern ihre Praxis unmöglich machen.

Aber selbst die konsequenteste Bekämpfung des Faschismus wird ihn nicht dauerhaft auslöschen können. Denn er hat eine gesellschaftliche Funktion. Und genau deswegen ist es unerlässlich zu betonen, dass Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Nationalismus nicht nur zur AfD gehören. Sie sind tief in der Gesellschaft und ihren Institutionen verankert. Sie dienen unter anderem dazu bestehende Herrschaftsstrukturen zu stabilisieren. Nicht umsonst verabschiedet die Ampelkoalition die reaktionärsten Gesetze, während alle nur über die AfD sprechen. 

Daher ist es wichtig, die AfD und den Faschismus nicht als Phänomen zu verstehen, das irgendwie auftaucht. Er erwächst aus den historischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten. Das heißt, Antifaschismus ist nur dann wirklich umfassend, wenn wir eben diese Gegebenheiten kritisieren und beheben, die zur Entstehung dieser Barbarei namens Faschismus führen. Um es mit den Worten von Bertolt Brecht zu sagen: „Die gegen den Faschismus sind, ohne gegen den Kapitalismus zu sein, die über die Barbarei jammern, die von der Barbarei kommt, gleichen Leuten, die ihren Anteil vom Kalb essen wollen, aber das Kalb soll nicht geschlachtet werden. […] Sie sind nicht gegen die Besitzverhältnisse, welche die Barbarei erzeugen, nur gegen die Barbarei. […]“.

Das breite Bündnis, das wir heute hier sehen, ist dazu in der Lage den antifaschistischen Kampf gegen die AfD zu führen. Nur wenn wir uns mobilisieren und organisieren, können wir erfolgreich sein. Nur wenn wir Druck ausüben, den Staat, dazu drängen faschistische Netzwerke zu zerschlagen, der AFD ihre Finanzierung und ihre legalen Strukturen zu entziehen, können wir erfolgreich sein. Die Ausschwitz-Überlebende Esther Bejerano sagte: „Wer gegen Nazis kämpft, darf sich auf den Staat nicht verlassen.“ Deshalb müssen wir Antifaschistinnen und Antifaschisten – auch wenn wir zu bestimmten Dingen unterschiedliche Meinungen haben – mit unserer breiten Bewegung hier darauf drängen, dass eben wirklich ein solcher umfassender antifaschistischer Kampf geführt wird.

Was Antifaschismus heißt, spricht der „Schwur von Buchenwald“ aus. Er wurde 1945 von Überlebenden des KZs Buchenwald verfasst und ist immer noch aktuell:

„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“