Redebeitrag My Body My Choice Kundgebung 11.11.2023

Wir dokumentieren hier unseren Redebeitrag auf der My Body My Choice Kundgebung am 11.11.2023 in Saarbrücken, anlässlich des Aufmarsches der Piusbruderschaft:

Liebe Genoss*innen, liebe Freund*innen, 

wie jedes Jahr aufs Neue sind wir heute hier um gegen die Piusbruderschaft und ihre Anhänger*innen zu demonstrieren.  Wie jedes Jahr ziehen diese Klerikalfaschisten  mit ihrem sogenannten „ Marsch für das Leben“ durch die Saarbrücker Innenstadt, um ihre antifeministische Agenda zu verbreiten. Für die Piusbrüder sind Frauen Gebärmaschinen. Frauen wird eine Selbstbestimmtheit über sich und ihre Körper kategorisch abgesprochen. Begleitet wird dieses reaktionäre Programm durch Antisemitismus, Rassismus und Verschwörungsdenken.

Wir sind heute aber nicht nur hier, um den Piusbrüdern einen starken feministischen und antifaschistischen Gegenprotest entgegenzustellen. Feministisch kämpfen heißt für uns auch die Rolle des deutschen Staates zu analysieren und zu kritisieren. Patriarchat und Kapitalismus sind eng miteinander verwoben. Der bürgerliche Staat bietet dafür den  perfekten Rahmen, indem er mit seiner Gesetzeslage und Ideologie dafür sorgt,dass die bestehenden Verhältnisse in beiden System  aufrechterhalten werden. Ideologisch gehen der Staat und die Piusbrüder beim sogenannten „Schutz des ungeborenen Lebens“ Hand in Hand. Die Piusbruderschaft ist dabei nur ein extremer Ausdruck dieser Ideologie,welche schon in der Gesetzeslage des deutschen Staates verankert ist.

Ich zitiere einen Auszug aus dem Paragrafen 219, der sich auf die Beratungspflicht vor einem Schwangerschaftsabbruch bezieht.  

Zitat „Die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. Sie hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen; sie soll ihr helfen, eine verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen. Dabei muß der Frau bewußt sein, daß das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und daß deshalb nach der Rechtsordnung ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann, wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die so schwer und außergewöhnlich ist, daß sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt.“ Zitat Ende

Dazu kommt Schwangerschaftsbbrüche sind in Deutschland immer noch illegal. Der Paragraf 218 regelt sie im Strafgesetzbuch  neben Mord und Völkermord. Abtreibungen bleiben dabei lediglich unter gewissen Bedingungen straffrei.

Der deutsche Staat definiert den Fötus als sogenanntes ungeborenes Leben und agiert als dessen Schutzmacht. Dieser Staat, der sich sonst nicht für tatsächlich existierendes Leben interessiert, tritt hier energisch für den sogenannten„Schutz des Lebens“ ein und verhindert so eine wirkliche Autonomie der Frau über ihren eigenen Körper. Unter diesem Deckmantel behält er sich die Möglichkeit vor, seine bevölkerungspolitischen Interessen durchzusetzen. Auch wenn er gerade keinen akuten Bedarf daran hat, dass Frauen wie Gebärmaschinen neue Arbeiter*innen unentwegt zur Welt bringen, will er im Zweifel dann doch ein Wort mitreden.

Letztes Jahr strich die sogenannte „ Fortschrittskoalition“ den Paragrafen 219a, der es Ärzt*innen verbot  über das Thema  Schwangerschaftsabbrüche sachlich zu informieren. Auch wenn das natürlich konkret eine Verbesserung der aktuellen Situation darstellt,  verdeutlicht es aber auch zu gut wie der deutsche Staat agiert. Oberflächlich macht er Zugeständnisse, darüberhinausgehend behält sich aber die  Entscheidungsgewalt über den weiblichen Körper weiterhin vor.

Aber nicht nur die Gesetzeslage erschwert es Frauen über ihren Körper frei zu entscheiden. Neben der Beratungspflicht, die für eine Abtreibung vorgeschrieben ist  und dem Einhalten mehrerer Fristen, sehen sich ungewollt Schwangere mit einer katastrophalen Versorgungslage konfrontiert. Die Anzahl an Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen nimmt jährlich ab. Ungewollt Schwangere müssen teils über 100 km fahren um eine Ärztin zu finden die Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Der bürgerliche Staat,  sieht hier keinen Handlungsbedarf.   Die Träume der Klerikalfaschisten sind in Deutschland in abgeschwächter Form längst Realität. Es gibt zwar keine Strafe für Schwangerschaftsabbrüche, die schlechte Versorgungslage hat aber den gleichen Effekt: Die meisten Frauen können nicht frei über ihren Körper entscheiden.  Und das nennt der deutsche Staat dann körperliche Selbstbestimmung. 

Für uns ist es nicht getan nur Forderungen nach legalen Abtreibungen zu stellen, sondern für  wirkliche körperliche Selbstbestimmung zu kämpfen. Das heißt für uns frei von kapitalistischen und patriarchalen Zwängen sowie von religiöser Ideologie. Das heißt auch für reproduktive Gerechtigkeit in voller Gänze einzustehen.  Denn was heißt es auch sich für Kinder in diesem System zu entscheiden, in dem vor allem Frauen in Armut leben müssen, in dem vor allen Frauen immer noch den Großteil der Reproduktionsarbeit leisten, in dem viele Menschen sich mit der rassistischen  Familienpolitik konfrontiert sehen müssen, in einem System, das vor allem eins ist-lebensfeindlich. 

Wir wollen uns daher nicht in Forderungen an den Staat verlieren und stattdessen für   wirkliche Autonomie von Frauen und queeren Personen kämpfen,für tatsächliche körperliche und sexuelle Selbstbestimmung ! 

Dennoch ist es wichtig konkret in diesem System feministische Errungenschaften zu verteidigen und für sie zu kämpfen. Der Rechtsruck, der auch in Deutschland deutlich zu beobachten ist, stellt eine konkrete Bedrohung für diese Errungenschaften dar.In Ländern wie in Polen oder den USA kann man beobachten wie leicht der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen wieder zurückgenommen werden kann. Dagegen gilt es entschieden vorzugehen, ohne dabei zu vergessen, was die eigentlichen Ziele sein sollten. Das heißt konkret gegen die Piusbruderschaft kämpfen und gleichzeitig nicht in Reformismus zu verfallen und sich mit kleinen Zugeständnissen (seitens des Staates) zufrieden zu geben.  

Wir als ConnAct Saar kämpfen für eine Welt, in der Frauen und Queers die absolute Entscheidungsmacht für ihre eigenen Körper haben, mit oder ohne Kinder.  Eine Welt frei von Verwertungszwang und kapitalistischer Logik, in der körperliche Selbstbestimmung nicht nur eine Floskel ist sondern Realität. Eine Welt in der ungewollt Schwangere sicher und legal abtreiben können. Wir kämpfen aber auch dafür,dass Kindererziehung gemeinschaftlich organisiert und Care-Arbeit nicht an Frauen hängen bleibt. Wir kämpfen für ein lebenswertes Leben für Frauen und Queers. Das verstehen wir unter Lebensschutz.  

Wir haben es satt. Jedes Jahr hier zu stehen und jedes Jahr den Antifeminist_innen entgegentreten zu müssen. Doch der Marsch steht nicht für sich. Jeden Tag heißt es für Frauen und Queers kämpfen, gegen einen lebensfeindlichen Staat und antifeministische Agenda aus verschiedenen Lagern.  Unsere Befreiuung kann nur eine Kollektive sein:

Deshalb schließt euch uns auch, Werdet aktiv, organisiert euch und kämpft mit uns für ein selbstbestimmtes Leben! Keine ruhige Minute dem größten faschistischen Aufmarsch in Saarbrücken! Piusbruderschaft und Kapitalismus zerschlagen!