Erklärung zu unserer Zusammenarbeit mit der DKP Saarland – Kritik des Antiimperialismus der DKP sowie generelle Anmerkungen zu den Themen Ukraine-Krieg, Frieden und Antisemitismus

Gemeinsam mit der Deutschen Kommunistischen Partei Saarland (DKP) laden wir zu mehreren Marxismus-Workshops ein. Die ersten Termine fanden schon statt, Anmeldungen zum Kurs sind aber immer noch möglich unter: info@dkp-saarland.de [ https://www.dkp-saarland.de/…/marxismus-fuer…/ ].

Wir erachten die DKP als kompetent auf diesem Gebiet und halten es für wichtig, diese Inhalte auch denjenigen zu vermitteln, die noch nichts oder nur wenig darüber wissen. Eine marxistische Grundbildung ist – bedingt durch verschiedene gesellschaftliche Faktoren – auch unter den Linken in Deutschland nur in unzureichendem Maße vorhanden. Weder die Analyse der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und Kämpfe noch eine fundierte politische Strategie und Praxis sind jedoch ohne revolutionäre Theorie denkbar. Ihre kollektive Aneignung ist daher unabdingbar.

Unsere Haltung gegenüber der DKP ist jedoch nicht nur von positiver Einstellung geprägt. Neben vielen Gemeinsamkeiten gibt es auch Punkte, in denen wir – zum Teil weit – auseinander liegen. Sie betreffen überwiegend die DKP insgesamt, nicht alle Mitglieder und teilweise auch nicht den Landesverband Saar.

Trotz der folgenden Kritik ist eine entsprechende kollektive Bildungsarbeit zu kommunistischer Theorie wichtig und geboten.

Unsere Kritik zu den drei Punkten: Haltung zum reaktionären russischen Krieg, Position zum Staat Israel und zur Friedensquerfront veröffentlichen wir die kommenden Wochen. Wir starten unsere Kritik-Reihe mit dem ersten Punkt: Einleitung und Ukraine – Krieg:

Teil 1: Einleitung und Ukraine – Krieg

Einleitung

Gemeinsam mit der Deutschen Kommunistischen Partei – Saarland (DKP-S) laden wir zu mehreren Marxismus-Workshops ein. Wir erachten die DKP-S als kompetent auf diesem Gebiet und halten es für wichtig, diese Inhalte auch denjenigen zu vermitteln, die noch nichts oder wenig darüber wissen.

Eine marxistische Grundbildung ist – bedingt durch verschiedene Faktoren – auch unter Linken in Deutschland nur in unzureichendem Maß vorhanden. Doch ohne revolutionäre Theorie ist weder die Analyse der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und Kämpfe noch eine politische Strategie und Praxis denkbar.

Unsere Haltung gegenüber der DKP erschöpft sich jedoch nicht nur in einem gemeinsamen Bezug auf den Marxismus oder in geteilten Positionen zu verschiedenen Fragen, sondern ist auch geprägt durch Differenzen bei denen wir zum Teil weit auseinanderliegen. Sie betreffen überwiegend die Bundes- DKP, nicht alle ihrer Mitglieder, teilweise auch nicht den Landesverband Saarland. Es kommt vor, dass Mitglieder abweichende Positionen vertreten, was sie jedoch nicht vor der Konfrontation mit Kritik schützen sollte, da sie als Teil der Partei auch den Positionen der Partei verpflichtet sind – gerade in einer kommunistischen Partei. Vielmehr ist der Mangel an offener und öffentlicher Kritik in der kommunistischen Bewegung eine Entwicklung, welche auch ein Grund dafür ist, dass die marxistische Bildung und Debatte immer mehr abgenommen hat.

Trotz der folgenden Kritik ist eine entsprechende kollektive Bildungsarbeit zur kommunistischen Theorie wichtig und notwendig. Gerade auch deshalb, weil sich für uns die kritikwürdigen Punkte nicht zwangsläufig aus den marxistischen Grundlagen ableiten lassen. Wir verstehen diese teils als Abweichungen von marxistischen Positionen, teils als unterlassene Reflexion historischer Fehler und teils als durch die historische Entwicklung ins Reaktionäre verkehrte Positionen. Wir wollen unsere Kritik aber ausdrücklich von revisionistischen Vorstellungen unterscheiden, die die Aktualität des Marxismus bestreiten oder ihn durch vermeintliche Weiterentwicklungen aufgeben.

Der folgende Text soll sowohl die offene Diskussion mit der DKP Saarland zu verschiedenen Punkten anstoßen als auch Interessierte an alten und neuen Debatten der marxistischen und gesellschaftlichen Linken teilhaben lassen und einige Differenzen öffentlich sichtbar machen, welche in der Einschätzung aktueller Themen teils zu schroffen Frontstellungen führen. Dabei wollen wir uns auf Fragen beschränken, die in unserer konkreten Praxis eine gewisse Relevanz und Aktualität haben. So wollen wir uns auf die Themen Ukraine-Krieg, Friedensbewegung und Israel beschränken und nicht über ferne Programmatik oder abstrakte strategisch-taktische Fragen diskutieren.

Haltung zum Krieg in der Ukraine

Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine fällt die DKP bundesweit dadurch auf, dass sie den Krieg verharmlost, teilweise legitimiert oder begrüßt und sich dabei der russischen Propaganda bedient. Die offiziellen Forderungen beschränken sich auf Verhandlungen, Waffenstillstand und Rücknahme der Sanktionen. Aber auch in Friedensbündnissen wird gegen die Forderung nach einem Abzug der russischen Truppen agitiert. Einige – auch hochrangige – Parteimitglieder feiern sogar die „Befreiung“ ukrainischer Städte durch die russische Armee.[1]

Dabei übernimmt die DKP teilweise offen russische Propaganda: Die Hauptschuld liege bei der NATO, angeblich gehe es um den Kampf gegen den Faschismus und den Schutz der russischsprachigen Bevölkerung. Die anhaltende Nähe zur KPRF, die mit der Forderung nach Anerkennung der Donbass-Republiken selbst als Kriegstreiber auftrat, spricht Bände. Diese Positionen werden mit verschiedenen Versatzstücken kommunistischer Theorie begründet, die im Folgenden einer Kritik unterzogen werden.

Der russische Einmarsch wird von der DKP als taktische Offensive bewertet, die jedoch in einen strategischen Defensivrahmen eingebettet ist. Der an sich nicht zu beanstandende Verweis auf die Vorgeschichte des Krieges wird zur Legitimation, wo diese nur einen Aggressor kennt – die USA. Die innere Verfasstheit Russlands, die reaktionäre völkisch-nationalistische Kriegspropaganda und die konterrevolutionären Interventionen als Regionalmacht werden ausgeblendet. Dem liegt eine Unterscheidung zwischen Innen- und Außenpolitik der Russischen Föderation zugrunde, wie sie etwa der Parteitheoretiker Willi Gerns 2014 vorgenommen hat: Diese Außenpolitik sei wiederum gespalten in eine imperialistische Seite, die sich als untergeordneter Rohstofflieferant in die US-EU-Weltordnung einfügt, und eine gegen die USA gerichtete Seite der Außenpolitik:

„In der heutigen Konfrontation zwischen US-Imperialismus / NATO einerseits und Russland andererseits ist die erstgenannte Seite, die ihre militärischen Kräfte unter Bruch getroffener Vereinbarungen immer dichter und umfangreicher an die Russischen Grenzen heranführt und damit das Land immer direkter bedroht, eindeutig der Aggressor. Russland wird gezwungen sich und seine legitimen Interessen zu verteidigen. (…) Dieses Bestreben Russlands liegt objektiv im Interesse von Frieden und gesellschaftlichem Fortschritt, weil eine multipolare Weltordnung dem Weltpolizisten USA, NATO und EU-Grenzen setzen kann.“[2]

Die Kriegsgründe ausschließlich in den Widersprüchen zwischen dem Westen und Russland zu suchen und damit Innen- und Außenpolitik zu trennen, scheitert jedoch am Verlauf der russischen Kriegsvorbereitungen. Der Krieg als Verschleierung der internen Zerrissenheit sowie die auf Reindustrialisierung und Russifizierung des Marktes ausgerichteten – im Gernschen Sinne antiimperialistischen und friedensstiftenden – nationalkonservativen Kapitalfraktionen im Lande werden ausgeblendet oder eben als „nationale Bourgeoisie“ der „Komparadoren-bourgeoisie“ vorgezogen.

Die Differenzierung zwischen Staaten und Bündnissen im Imperialismus, wie sie von der DKP gefordert wird, steht in der Tradition der Analyse des Imperialismus durch die Komintern. Auf dem II. Weltkongress nimmt Lenin eine solche Differenzierung zwischen Staaten im Imperialismus vor: Sie besteht in Lenins Bemerkung über die England und Frankreich, die „demokratischen Staaten“ stünden bei der Ausplünderung der Völker quantitativ höher als etwa die deutschen Junker. Eine Feststellung, die sicherlich auch auf die heutigen westlichen Staaten übertragbar ist und die es verbietet, eine Politik des Sozialchauvinismus zu betreiben.

Die Unterscheidung zwischen aggressiven und nicht-aggressiven imperialistischen Staaten und Bündnissen wurde von der Komintern allerdings erst auf dem VII. Weltkongress festgelegt, aber eben nicht mit einer höheren imperialistischen Hierarchiestufe gleichgesetzt. Im Gegenteil, eine andere Bestimmung des Begriffs der Aggressivität im Rahmen des Imperialismus bezeugen sowohl die Ausführungen von Palmiro Togliatti als auch verschiedene Äußerungen Stalins:[3]

„Gerade weil die zurückgebliebenen Länder ihre Entwicklung beschleunigen und ihr Niveau den fortgeschrittenen Ländern angleichen – gerade deshalb verschärft sich der Kampf für die Überholung der einen Länder durch die anderen, gerade deshalb entsteht die Möglichkeit, dass die einen Länder die anderen überholen, sie von den Märkten verdrängen und damit die Voraussetzungen schaffen für kriegerische Konflikte, für die Schwächung der Weltfront des Kapitalismus, für die Durch-brechung dieser Front durch die Proletarier verschiedener kapitalistischer Länder.“ (Stalin)

Die Aggressivität in der „Neuaufteilung der Welt“ wird also gerade den Ländern zugeschrieben, die aufholen wollen, und nicht den größten Räubern. Diese müssen, um ihre wirtschaftliche Aggressivität nicht zu gefährden, auch die politische Weltordnung angreifen. Aggressiv sind damals also die Gegner der Nachkriegsordnung des Versailler Vertrages und des Washingtoner Abkommens, also der deutsche Nazifaschismus und der japanische Militarismus. Das waren also die Hauptkriegstreiber, gegen die sich nach dem VII. Weltkongress der kommunistische Kampf in erster Linie zu richten hatte. Wenn also die DKP heute unter Berufung auf die Analysen der Komintern den USA wegen ihrer Rolle als größter imperialistischer Räuber und Welt-markthegemon die alleinige aggressive Rolle zuschreibt, so wäre polemisch zu fragen, ob sie diese Rolle konsequenterweise auch den Ententemächten zuschreiben würde und damit in der Vorkriegszeit der 30er Jahre die Achsenmächte als „objektiv antifaschistisch“ anerkannt hätte.

Dass ein wichtiger Vordenker der heutigen „Friedensposition“ der DKP – Domenico Losurdo – diese inhärente Konsequenz in der Bewertung des Zweiten Weltkrieges teilweise nachvollzogen hat, scheint die ideologische und politische Führung der Partei nicht zu schrecken. So will dieser den Nationalsozialismus als einfache Radikalisierung des „angelsächsichen Imperialismus“ verstanden wissen. In der Bildungszeitschrift „Kommunisten und der Kampf für den Frieden“[4] wurde Losurdo veröffentlicht, um in reaktionärer antiimperialistischer Umdeutung der Position und Analyse der kommunistischen Bewegung zum 2. Weltkrieg die USA als heutige Hauptgefahr für den Frieden – also als internationalen Hauptfeind – darzustellen.[5] Widerspruch dazu richtete sich in der Folge nur gegen die Identität von Hauptkriegstreiber und Hauptfeind. Daraus entstand schließlich die Taktik, den „Hauptfeind im eigenen Land“ ausschließlich dort anzugreifen, wo er in den Westen integriert ist. Kapitalfraktionen, die die deutsche Souveränität gegen die USA im Visier haben, werden so zum Teil zu potentiellen Verbündeten, zum Beispiel dort, wo diese auch gegen Sanktionen sind. Teile der Partei gehen noch einen Schritt weiter, indem sie den Versuch Russlands, die Ukraine kolonial zu unterwerfen, als legitimen Verteidigungsschlag gegen eine neokoloniale Unterwerfung Russlands durch die USA begreifen, zu dem Kommunistinnen und Kommunisten keine Position der Äquidistanz einnehmen könnten.

Gegen die revisionistische Haltung, die „Verteidigung“ Russlands liegt objektiv im Interesse des Friedens könnte man Togliatti selbst zu Wort kommen lassen:

„Genossen, wir haben für die Liquidierung der Nachkriegsverträge auf dem Weg der sozialen und nationalen Befreiung gekämpft. Was eingetreten ist, hat nichts gemein mit den Zielen, für die wir gekämpft haben. Die Nachkriegsverträge sind durch die erbitterte Rivalität der Imperialisten in Stücke gerissen worden. (…) Das Ende des Systems von Versailles und Washington bedeutet den Bankrott des bürgerlichen Pazifismus, bedeutet dass die Unsicherheit in den internationalen Beziehungen ihren höchsten Grad erreicht hat, bedeutet den Übergang zur Gewaltanwendung zwecks Regelung der akuten Fragen, sämtlicher in allen Teilen der Welt vorhandenen Konflikte, bedeutet den Übergang zu einem schwindelerregenden Rüstungsfieber.“[6]

Die partielle Unterstützung Russlands in der Außenpolitik ist nach wie vor zum Teil eingebettet in eine modernisierte antiimperialistische Strategie der globalen Annäherung an den Sozialismus. Der Einfluss der NATO-Staaten und vor allem der USA soll vorrangig durch geopolitische Bündnisse zurückgedrängt werden und letztlich einer multipolaren Weltordnung weichen. Damit sollen die globalen Voraussetzungen für den Sozialismus geschaffen werden. Nur ein Gegenpol kapitalistischer Nationalstaaten, verortet in den BRICS, könne den Imperialismus schwächen.

Beate Landefeld führt das 2014 folgendermaßen aus:

„In einer multipolaren Welt wird es voraussichtlich Verflechtungscluster um mehrere Zentren herumgeben. Unterschiedliche, auch konkurrierende, regionale und kontinentale Integrationsprojekte existieren in Teilen der Welt jetzt schon, darunter fortschrittliche, wie in Lateinamerika. […] Das Gewicht der BRICS erleichtert Ländern mit sozialistischer Orientierung und Projekten wie ALBA, die Folgen kolonialer Abhängigkeit zu überwinden. […] Die Länder, die sich heute gegen die Einmischung des Imperialismus in ihre inneren Angelegenheiten zur Wehr setzen, sind unterschiedlich. Sie reichen vom reaktionären Regime des Iran, über ein Russland in Oligarchenhand bis zum sozialistischen Kuba. Die Durchsetzung zwischenstaatlicher Beziehungen der Kooperation anstelle von Beherrschung, Unterordnung und Konfrontation liegt jedoch im ureigenen Interesse aller Lohnabhängigen.“[7]

Dass eine solche multipolare Weltordnung – gerade durch die Verschärfung der Widersprüche – auch Raum für fortschrittliche antiimperialistische Möglichkeiten wie eine verstärkte Süd-Süd-Kooperation oder die Schwächung supranationaler neoliberaler Institutionen wie des IWF bietet, ist nicht von der Hand zu weisen. Diese sollten jedoch als Ausnutzung der zwischenimp-erialistischen Wider-sprüche und nicht im Sinne einer erneuerten Drei-Welten-Theorie verstanden werden. Die in der Spätphase der maoistischen VR China entwickelte Theorie besagte, dass sich die 2. und 3. Welt gemeinsam gegen die Erste Welt stellen sollten.

Die Ähnlichkeit dieser schon in ihren Anfängen konterrevolutionären Theorie mit dem heutigen Drängen auf eine multipolare Weltordnung zeigt sich in zwei Punkten: Zum einen wurden damals wie heute die Hauptkräfte revolutionärer oder fortschrittlicher Politik in den Bourgeoisien der abhängigen Länder verortet und imperialistische Staaten wie Deutschland oder Japan aufgrund ihres „ambivalenten Charakters“ als mögliche taktische Bündnispartner gegen die „Supermächte“ angesehen. Das war nicht erst dann falsch, als China gemeinsam mit den USA die Sowjetunion als internationalen Hauptfeind be-kämpfte!

Der zweite Punkt, der sich in dieser Renaissance der Drei-Welten-Theorie in der kommunistischen Weltbewegung wiederholt, ist der offene Pakt mit reaktionären Regimen und die Inkaufnahme von deren Machtausbau unter dem Deckmantel der „Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten“. Damals wie heute unterstützte die Volksrepublik China islamistische Kräfte in Afghanistan und die islamistische Militärdiktatur in Pakistan. Hinzu kommt heute auf der Grundlage des chinesischen Monopolkapitals die konterrevolutionäre Unterstützung der reaktionären Staaten Sri Lanka, Myanmar und Philippinen, oder aber der Unterstützung der Muslimbrüder im Sudan.

Auch in Bezug auf Kuba oder den „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ ist die Partnerschaft des linken Antiimperialismus mit dem Iran offensichtlich.[8] Diese globale antiimperialistische Querfront schlägt sich teilweise auch in realen Querfrontbündnissen nieder: Gerade die lautesten Vertreter der modernisierten antiimperialistischen Strategie scheuen sich nicht, etwa in Russland mit den National-bolschewisten oder in Syrien gleich mit der nationalsozialistischen Partei zu paktieren.

In der DKP wird dies nicht so offen praktiziert, aber auch hier gibt es z.B. gerade in der „Donbass-Solidarität“ ähnliche Querfront-Verbindungen. Der antiimperialistischen Strategie und der Trennung von Außen- und Innenpolitik entspricht auch die Parole „Hände weg vom Iran“, die die Partei seit Jahren propagiert. Folgerichtig formulierte der Parteivorsitzende Patrik Köbele in seinem Referat auf dem diesjährigen Parteitag, dass der Iran „zwar nach innen ein klerikales, oft [!] reaktionäres Regime hat, nach außen aber oft eine antiimperialistische Politik betreibt“.[9] Die Unterstützung der Herausbildung einer politischen multipolaren Weltordnung im Rahmen einer antiimperialistischen Strategie muss daher als globales Querfrontbündnis verstanden werden.

Demgegenüber ist festzuhalten, dass die Widersprüche zwischen den Imperialisten zwar ausgenutzt werden können, aber selbst keine revolutionäre oder fortschrittliche Kraft darstellen. Die reale Tendenz der multipolaren Weltordnung ist im Zerfall der internationalen Be-ziehungen sowie des Weltmarktes zu sehen, was die Gefahr von Kriegen steigert.

Die oben genannten Punkte treffen nach unserer Kenntnis auf die DKP-Saar nicht zu.

Sie distanziert sich sowohl von der Bewertung des Krieges durch die Bundespartei, benennt klar die reaktionäre Ideologie, mit der der Krieg einhergeht, und verwechselt die Vorgeschichte des Krieges nicht mit seiner Rechtfertigung.[10] Auch in Beschlüssen wird deutlich, dass ein antiimperialistischer Richtungswechsel nur von im weitesten Sinne linken Kräften als Fortschritt begrüßt[11] wird und in der Kurdistanfrage ein realer gesellschaftlicher Fortschritt auch gegen antiamerikanische Reflexe verteidigt wird.[12]

Dennoch wollen wir auch hier eine Kritik formulieren, allerdings ohne die Schärfe der Kritik am Bundesverband. Die Vorgeschichte des Krieges wird hier zwar nicht als Rechtfertigung des russischen Angriffs dargestellt, aber doch in mehrfacher Hinsicht vereinfacht.

In der Position der Bezirksorganisation Saarland heißt es:

„Hier gibt es kein besser oder schlechter – für eine kommunistische Partei kann es hier nur maximale Distanz zu beiden kriegsführenden Parteien gebe. Wann wird in unserer Partei endlich begriffen, dass ein reaktionäres Regime niemals unsere Unterstützung oder Schonung finden darf – auch wenn es sich in Feindschaft zur NATO positioniert? Die Ziele der russischen Führung werden durch die Aggressivität des Westens historisch erklärbar – sie verdienen dennoch unsere tiefe Verachtung.“[i]

In der Erklärung werden zwei analytische Seiten aufgemacht: Erstens wird der Krieg als Stellvertreterkrieg zwischen der NATO und Russland verstanden. Zweitens wird die russische Aggression als nicht zu rechtfertigende Reaktion auf die Nichtintegration Russlands in die westliche Sicherheitsinfrastruktur sowie auf die NATO-Osterweiterung verstanden. Gegen diese Analyse möchten wir einige Kritikpunkte vorbringen, die vor allem die Rolle Deutschlands betreffen.

Die Aufgabe von Kommunistinnen und Kommunisten in der Kriegs- und Vorkriegszeit, in der wir leben, wäre zunächst die Rolle und Stellung des eigenen Landes, der eigenen Bourgeoisie zu analysieren und zu entlarven. Das würde bedeuten, die Rolle des deutschen Imperialismus gerade im Ukraine-Konflikt als eigenständige – nicht nur im Bündnis mit den USA – aggressive Macht zu begreifen. Deshalb muss sich der Hauptstoß kommunistischer Politik nicht nur gegen die Westbindung, sondern auch gegen die Versuche Deutschlands richten, souverän gegen die USA zu handeln.

Dass die zwischenimperialistischen Widersprüche innerhalb der Bündnisse NATO oder EU fortbestehen, steht außer Frage, dass sie aber nicht hinter dem Hauptwiderspruch NATO-Russland zurücktreten, ist trotz aller oberflächlichen westlichen Einigkeit gerade im Ukraine-Konflikt zu beobachten. Imperialistische Staaten handeln nicht einfach im unmittelbaren ökonomischen Interesse ihrer Bourgeoisie, sondern vor allem auch gegen ihre Konkurrenten. Insofern ist der Widerspruch zwischen den USA und Deutschland selbst als eine wichtige Quelle der Eskalation zu benennen. Die deutsch-russische strategische Kooperation, die sowohl als strategische Absicherung gegen die westlichen Konkurrenten als auch als Profithebel genutzt wurde, sowie die Expansion des deutschen Monopolkapitals nach Osteuropa haben unter der Oberfläche zu einem Kampf zwischen Deutsch-Europa und den USA in der Ukraine geführt, der den Konflikt angeheizt hat. Sowohl die NATO- als auch die EU-Osterweiterung sowie die jeweilige Unterstützung für den Maidan sollten daher nicht als parallele Projekte des Westens verstanden werden, sondern als aggressive Projekte, die in Teilen gegeneinander gerichtet waren.

Dies würde auch eine andere Stellung zur immer noch vorherrschenden linken Lesart des vermeintlichen Wortbruchs der NATO-Osterweiterung erfordern. Die umstrittene These ist in ihrer Relevanz für eine Positionierung zur NATO-Osterweiterung ohnehin marginal. Viel eher zu kritisieren ist jedoch die darin enthaltene Gleichsetzung Deutschlands mit der NATO. Mündliche Zusagen, welche die BRD-Osterweiterung – nämlich die Annexion der DDR – begleitet haben, als deutsches (konkret des ehemaligen NSDAP-Mitglieds Hans-Dietrich Genscher) Recht zu nehmen den osteuropäischen Staaten souveräne Entscheidungen über Militärbündnisse zu entsagen muss als deutscher Chauvinismus eigener Provenienz betrachtet werden. Die hier exemplarisch zur Schau tretende Konstellation deutscher Ideologie ließe sich vielfacherweise in Forderungen wie Analysen der deutschen Linken wiederfinden. 

Eine kommunistische Analyse des deutschen Imperialismus – sowie seiner besonderen Aggressivität – könnte jedoch die Gleichzeitigkeit der Unterstützung der Ukraine ebenso erklären wie die Zurückhaltung gegenüber westlichen Sanktionen oder die Verhinderung einer weiteren NATO-Osterweiterung. Dass diese ideologisch antiwestlich abgesicherte Politik gegen die USA in eine antirussische Kriegspolitik umgeschlagen ist, die neben dem Wirtschaftskrieg auch die Ukraine mit deutschen Waffen einen Stell-vertreterkrieg führen lässt, der auf die Zermürbung Russlands angelegt ist, widerspricht sich nicht.

Im Gegenteil: Der gegenwärtig vorherrschende Kurs der Bundesrepublik – historisch eingeübt und mit liberal-antiimperialistischem Vokabular versehen – ist tatsächlich darauf angelegt, Russland wieder als rechtssicheres Operationsfeld und untergeordneten „Partner“ für das deutsche Kapital herzurichten – eben als sicheren (!) Rückhalt. Deshalb muss die russische Aggression bestraft werden. Dieses Kriegsziel wird mit Hilfe der westlichen Partner verfolgt. So kann der deutsche Imperialismus als besonders destruktiv und aggressiv begriffen werden, der sowohl die Methode der Kooperation mit Russland und die Stellung Osteuropas als Vorhof der Großmächte als auch die Konfrontation gegen Russland unter Rückgriff auf die ehemaligen Hilfsvölker beherrscht.

Ein solcher Zugang ermöglicht es auch, den „ukrainischen Widerstand“ – so widersprüchlich er auch sein mag – sowohl als eigenständiges nationales Element als auch als westliches Instrument im Kampf gegen Russland zu begreifen. Erst dieser war nämlich für Deutschland und andere Teile der NATO der Anlass, die Invasion zum Anlass für die offene Bekämpfung Russlands zu nehmen.

Diese Analyse verlangt von Kommunist_innen in Deutschland eine andere Stellung zum Krieg als die Identifizierung der NATO mit dem Hauptfeind und verlangt ebenso die nationale Frage wie des nationalen / demokratischen Krieges anders zu entwickeln als bisher seitens der deutschen Linken geleistet. Eine tatsächliche Hauptfeindorientierung dürfte sich nicht einfach – Deutschland als eigenständigen Akteur unterschlagend – gegen die NATO richten, sondern müsste den deutschen Imperialismus selbst angreifen.

Die politischen Forderungen zum Krieg seitens der DKP-S sind auf die Abrüstung, der Betonung des Völkerrechts, Friedensverhandlungen und das Ende von Waffenlieferungen gerichtet. Auch das greift zu kurz: Während Verhandlungen dem Waffengang als Antagonismus entgegengesetzt werden zeigt ja gerade der Ukraine-Konflikt, dass ein imperialistischer Frieden (wie Minsk II) weder die Kriegsgründe noch die Kriegsparteien beseitigt. Die tatsächlich antagonistischen Interessen der beteiligten Staaten werden ausgeklammert und den beteiligten Staaten selbst ein „Menschheitsinteresse“ an friedlicher Entwicklung und Kooperation in den Mund gelegt, wo diese praktisch zeigen, dass sie zum Krieg fähig und willens sind. Ebenso müsste nach dem Sinn von taktischen Forderungen nach einer „gemeinsamen Europäischen Friedensarchitektur“ gefragt werden.

Wie schon der Fall Jugoslawien zeigt, ist der Krieg der Europäischen Friedensordnung nicht fremd und unter Umständen auch dieser Krieg der Auftakt der Europäischen Sicherheitsarchitektur unter Einbeziehung Russlands – dann jedoch nach dessen Niederlage und möglicherweise als deutsches Projekt gegen die USA! Die Differenz besteht nicht in der Frage nach demokratischen Forderungen nach dem Ende des Gemetzels in der Ukraine, sondern in der Frage „Welcher Frieden“. Der taktische Schulterschluss mit dem bürgerlichen Pazifismus kann hierbei strategischen Schaden anrichten:

„Friedensfreundliche Stimmung in den Massen ist häufig der Ausdruck dafür, daß Protest und Empörung aufkommen und daß der reaktionäre Charakter des Krieges erkannt wird. Diese Stimmung auszunutzen ist Pflicht aller Sozialdemokraten. Sie werden sich an jeder Bewegung und an jeder Demonstration, die auf diesem Boden erwächst aufs leidenschaftlichste beteiligen, aber sie werden das Volk nicht betrügen, indem sie den Gedanken zulassen, daß ohne eine revolutionäre Bewegung ein Frieden ohne Annexionen, ohne Unterjochung von Nationen, ohne Raub, ohne den Keim neuer Kriege zwischen den jetzigen Regierungen und herrschenden Klassen möglich sei. Ein solcher Volksbetrug käme nur der Geheimdiplomatie der kriegführenden Regierungen und ihren konterrevolutionären Plänen zugute. Wer einen dauerhaften und demokratischen Frieden will, der muß für den Bürgerkrieg gegen die Regierungen und die Bourgeoisie sein.“ (Lenin, Sozialismus und Krieg)


[1]https://www.unsere-zeit.de/friedensloesung-fuer-die-ukraine-169649/#more-169649

[2] https://www.jungewelt.de/ artikel/250372.nicht-%C3%BCber-einen-kamm-scheren.html

[3] Togliatti, Die Vorbereitung des imperialistischen Krieges und die Aufgaben der Kommunistischen

Internationale, in Die Offensive des Faschismus und die Aufgabe der Kommunisten im Kampf für die Volksfront gegen Krieg und Faschismus, Berlin 1957, S. 179 – 258

[4] https://dkp.de/wp-content/uploads/2019/09/DKP-Bildungsheft_Frieden.pdf

[5] Unter Rückgriff auf offen geschichtsrevisionistische Autoren geht dies mit deutschen Opfermythos einher: „Stellt das Dritte Reich die <Eingeborenen> Osteuropas mit den zu dezimierenden Rothäuten und den zu versklavenden Schwarzen gleich, so behandeln England und die Vereinigten Staaten Deutsche und Japaner schließlich wie Kolonialvölker, die zum Gehorsam gebracht werden müssen.“

[6]Die Charakterisierung des Versailler Vertrags als imperialistischen Frieden darf gerade in Bezug auf den deutschen Revanchismus jedoch nicht zu einer pauschalen Ablehnung auch der richtigen Elemente des Vertrages, bspw. der Kriegsschuldfrage, führen.

[7]Marxistische Blätter Heft 1-15, Im Übergang zur Multipolarität

[8] Vgl. https://de.granma.cu/mundo/2023-06-16/ein-besuch-der-kuba-in-der-uberzeugung-starkt-mit-dem-iran-eine-befreundete-nation-zu-haben

[9] https://dkp.de/wp-content/uploads/parteitage/DKP-Intern_2023_02_25.PT_Referat.pdf S.9

[10] https://www.dkp-saarland.de/positionen/gegen-den-voelkerrechtswidrigen-angriffskrieg-russland-fuerfrieden-und-abruestung/

[11]http://www.sozialismuss.de/dkp/download/Entschliessung_4_Antiimp_Solierklaerung.pdf

[12] www.sozialismuss.de/dkp/download/2019-10_erklaerung_dkp_saarland_rojava%20_final.pdf