Im Gedenken an die Opfer von Hanau

 

Heute, genau ein halbes Jahr nach dem rassistischen Anschlag in Hanau, fanden sich auf Einladung der Linksjugend Solid Saar über 100 Menschen vor der Europagalerie ein, um den Ermordeten dieses Massakers zu gedenken und dafür zu sorgen, dass der faschistische Mord im kollektiven Gedächtnis bleibt.

Auf der Kundgebung gab es unter anderem Redebeiträge der Antifa Saar, der Seebrücke Saar, der Linksjugend Solid Saar, vorgetragene Texte von Angehörigen der Ermordeten sowie einen Redebeitrag von uns. Den Redebeitrag stellen wir euch hier wie gewohnt zur Verfügung:


Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde,

Vor einem halben Jahr, am 20. Februar, am Tag nach dem rassistischen Massaker in Hanau, organisierten wir eine spontane Kundgebung am St. Johanner Markt um unserer Trauer und unserer Wut über die Ereignisse Ausdruck zu verleihen. Gemeinsam mit vielen von Euch, die ihr auch heute wieder da seid, forderten wir unter Anderem die Entwaffnung aller Nazis sowie für die Legitimität militanter Selbstverteidigung gegen Rassismus und Antisemitismus. Gemeinsam mit 200 weiteren Menschen versuchten wir ein würdiges und kämpferisches Gedenken auf die Straße zu tragen. Während wir dies versuchten, lief in den umliegenden Kneipen Faschingsmusik, Feiernde zogen an der Kundgebung vorbei. Manchmal mit fragenden Gesichtern, manchmal um rassistische Pöbeleien von sich zu geben. Am Tag nach dem rechten Terroranschlag mit den meisten Todesopfern seit 40 Jahren in Deutschland feierte Saarbrücken Fasching, das Rathaus schmückte nicht Trauer, sondern betrank sich auf Einlandung des Oberbürgermeisters Uwe Conradt. 

Am gleichen Abend fand in Hanau eine staatlich orchestrierte Gedenkveranstaltung statt. Angehörige der Opfer durften nicht sprechen. Dafür konnte sich die lokale und nationale Politprominenz selbst in Szene setzen,  unter ihnen auch der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, welcher dafür verantwortlich ist, dass der V-Mann Führer Andreas Temme nicht belangt wird, der beim NSU-Mord an Halit Yozgat in Kassel anwesend war und nachweislich zu Stefan Ernst, dem Mörder von Walther Lübcke, Kontakt hatte. Auch im Nachgang wurden Gedenkveranstaltungen hofiert, welche von türkischen Nationalisten und Faschisten gekapert wurden. Beispielsweiße die Angehörigen der Opfer mit kurdischen Hintergrund wurden somit, durch die Gleichmacherei aller Betroffenen von Rassimsus und ihrer Unterordnung unter die politische Repräsentanz von legalistischen Islamisten und Erdogan-Anhängern, vom deutschen Staat unsichtbar gemacht, teilweiße sogar Gefahren ausgesetzt. Bis heute keine Rolle in den Berichten und Gedenkveranstaltungen spielt die Tasache, dass Mercedes Kierpasz und Vili Viorel Paun Rom_nja waren. Vertreter_innen der nationalen Minderheit wurden nicht zu den offiziellen Gedenkveranstaltungen eingeladen. 

Dies zeigt uns: Gedenken und das Erinnern an die Betroffenen rechten Terrors darf nicht dem Staat überlassen werden. Ein würdevolles Gedenken muss immer noch erkämpft und selbstorganisiert werden!

Ein halbes Jahr nach dem Anschlag versammeln wir uns wieder in Saarbrücken, um den Opfern zu gedenken und um die politischen Forderungen der Angehörigen welche sich in der „Initative 19. Februar“ zusammengefunden haben nach konsequenter Aufklärung zu unsterützen! 

Die rassenideologische Vernichtungideologie des Täters und auch seine Mordabsichten propagierte er schon lange vor seiner Tat in Texten und Videos auf seiner Website.

Diese wurden jedoch sowohl vom Innenministerium als auch vom gesamten Polizeiapparat ignoriert.

Der Anschlag in  Hanau, in Halle, der Mord an Walter Lübcke, die unzähligen Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte in ganz Deutschland. All dies sind keine Einfälle, sondern das Produkt von jahrelanger rassistischer staatlicher Politik und einer nie stattgefundenen Entnazifizierung.

Um diese gesellschaftliche Ebene des rechten Terrors zu verdrängen und zu vertuschen greifen  der deutsche Staat und die deutsche Öffentlichkeit auf altbekannte Methoden zurück, welche auch nach Hanau vielfältge Verwendung fanden. Diese gilt es konsequent zurückzuweisen!

Während die Methode des Totschweigens bei Hanau nicht möglich erschien, operierte die Zeitschrift „Focus“ direkt nach der Tat mit einer rassistischen Täter-Opfer-Umkehr und sprach von den „Shisha-Morden“. Auch das Bundeskriminalamt sprach dem Mörder Tobias Rathjen mit Verweis auf seine psychischen Störungen ab aus sogenannten „rechtsextremen Motiven“ gehandelt zu haben. Dass der Nazi-Mörder in einer Erklärung als Ziel die Vernichtung von Millionen Menschen dutzender Länder wie der Türkei, Syrien, Indien und auch Israel, sowie auch die Ermordung der Hälfte der Bevölkerung in Deutschland nach deutsch-rassistischen Kriterien propagierte, schien da nicht weiter zu interessieren.

Auch die These vom Einzeltäter wurde immer wieder gerne, gerade von staatlichen Behörden bemüht. Doch auch wenn der Mörder nach jetzigen Erkenntnissen nicht in einer Nazi-Kameradschaft – oder Partei organisiert war, war er doch Teil der deutschen und globalen Nazibewegung. 

Auch hat der Täter ständige Bestärkung von Teilen der Gesellschaft bekommen.In den Nazi-Online Foren wie auch durch die beständige rassistische Hetze gegen Shisha-Bars oder arabische Clans in den Medien und durch die deutschen Staatsapaarate, welche auch den ideologischen Nährboden für die Tat geschaffen hat.

Die Taktik von Nazis alleine Anschläge mit vielen Opfern durchzuführen ist historisch kein neues Phänomen. Das Agieren als sogenannte „lone wolf“ ist keine spontane Eingebung der Täter, sondern eine entwickelte Nazi-Strategie. Mit den Taten selbst werden zwei strategische Ziele verfolgt. Zum Einen sollen andere Nazis ermutigt werden ebenfalls loszuschlagen, zum Anderem sollen die von Rassismus betroffenen eingeschüchtert werden. Das Massaker in Hanau sollte ihnen einen der letzten Orte nehmen, in denen viele sich noch relativ sicher vor rassistischen Übergriffen wähnten.

Die Nazi-Bewegung in Deutschland ist gut organisiert, vernetzt und bestens bewaffnet. Heute besteht sie aus unterschiedlichen  Teilen,  die  alle  ihre  besonderen Aufgaben haben: ihr parlamentarischer Arm mit der AfD, ein „kultureller“ Arm, welcher Musikveranstaltungen zur Agitation  und Finanzierung durchführt, Nazis in verschiedenen Teilen des deutschen Staatsapparats  in Polizei,  Bundeswehr,  VS,  BND,  MAD, Justiz, welche Waffen und Munition organisieren und lagern, Daten für Morddrohungen sammeln und auch das Decken der Kameraden übernehmen, Ermittlungen einstellen und behindern, wie wir jetzt am Beispiel der Neukölnner Brandstiftungsserie in Berlin sehen konnten als der Staatsanwalt zu einem der Täter sagte, Zitat“dass er sich keine Sorgen machen brauche, er sei selbst AfD-Wähler“. Teil des Ganzen ist auch die Bewegung auf den Straßen sowie illegal operierende  bewaffnete  Nazi-Gruppen wie Combat  18, die Gruppe  Hannibal und viele weitere und eben auch die einzelnen vor allem auch übers Internet  vernetzte  Nazi-Mörder. 

Alle zusammen verfolgen mit anderen Mitteln die Strategie, Menschen, die sie als Nicht-Deutsch identifizieren in Angst, Lähmung, Entsetzen und Ohnmacht zu versetzen. Mit diesem Plan dürfen sie nicht durchkommen!

Dies sicherzustellen liegt an uns allen!

Rechter Terror ist in Deutschland Tradition seit der Weimarer Republik, die Duldung, Vertuschung und Förderung ebenfalls. Diese Geschichte müssen wir alle kennen. Sie reicht von den konterrevolutionären Morden der Freikorps nach dem 1. Weltkrieg an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht über weitere Nazimorde in der Weimarer Republik in den Nazifaschismus hin zum staatliche organisierte Vernichtungsprogramm. Die Kontinuität geht nach 45 in vor allem militärisch ausgebildeten antikommunistischen Nazi-Zellen weiter. Über den Anschlag auf Rudi Dutschkes 1968, das Jahr 1980, in dem in Hamburg Nguyen Chau und Do Anh Lan bei einem Brandanschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft sterben, in dem das Oktoberfestattentat von einem Mitglied der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ ausgeführt wurde. Ein weiteres Mitglied ermordete 3 Monate später den Rabbiner und Verleger Schlomo Lewin und seine Lebensgefährtin Frida Poeschke. Nach dem nationalistischen Wende-Taumel gab es Brandanschläge mit Todeopfern in Mölln, Solingen, und auch in Saarlouis, damals eine sogannate“national befreiten Zone“ , bei dem am 19. September 1991 Samuel Yeboah ermordet wurde. Die Verlautbarungen der Behörden nach der Wideraufnbahme der Ermitllungen in diesem Jahr lassen uns fast sicher sein, dass auch hier seitens der Polizei und des Verfassungsschutzes vertuscht und die Mördergedeckt wurden. Antifaschist_innen im Saarland weisen seit 30 Jahren darauf hin, dass es sich um rechten Terror handelt und wurden beständig von der Stadt Saarlouis und den  saarländischen Behörden lächerlich gemacht und  kriminalisiert. Die Kontinuität führt weiter über den NSU bis zu Combat 18 und Hannibal, bis zu den  Attentaten in München, Halle und Hanau heute.

Ebensolange wie den rechten Terror gibt es jedoch Gegenstrategien, welche sich nicht auf den Staat verlassen, nicht nur in Deutschland. Wir müssen die Allianzen suchen mit den Betroffenen von rassistischem und antisemitischem Terror und uns gemeinsam, ernsthaft und in vollem Bewusstsein über unsere Feinde uns so organisieren, dass die Ohnmacht gebrochen werden kann. Das die Strategie des Terrors und Einschüchterung nicht aufgeht! Deshalb müssen wir auch die Geschichte des antifaschichtischen und antirassistischen Massenselbstschutz kennen, ob organisiert von kommunistischen und anarchistischen Kräften in der Weimarer Republik oder beispielsweise von scharzen Communitys in den USA. 

Gedenken an die Opfer des Anschlags in Hanau heißt:

        Kein  Vergeben! Kein Vergessen!

Solidarität mit den Betroffenen von Rassismus und rechtem Terror! 

Nazistrukturen aufdecken und zerschlagen! 

Organinisiert Euch in antifaschistischen Gruppen und Initiativen! 

Organisieren wir den antifaschistischen Selbstschutz!“