„Liebe Freund:innen, liebe Genoss:innen, liebe Kämpfer:innen,
wir freuen uns heute mit euch gemeinsam am internationalen Frauenkampftag auf der Straße zu sein. Wir freuen uns, dass wir viele und dass wir laut sind. Doch unsere Wut überwiegt die Freude.
Denn es gibt zahlreiche Gründe wütend zu sein: Misogynie und Queerfeindlichkeit sind wieder allgegenwärtig. Berichte über riesige, organisierte und gut vernetzte Vergewaltigernetzwerke häufen sich. Widerliche Traditionen wie das Frauenschlagen auf Borkum werden bekannt. Schwangerschaftsabbrüche sind, trotz der Versprechungen der scheidenden Regierung, den Paragraphen 218 zu streichen, weiterhin kriminalisiert. Der kommende Kanzler Friedrich Merz ist ein Frauenfeind, der sich des Paktierens mit der AfD nicht zu Schade war. Eine AfD, die mit über 20% der deutschen Wähler:innenstimmen in den Bundestag eingezogen ist und dort etliche feministische Errungenschaften zu revidieren versuchen wird. Die Gewalt gegen Frauen und Queers nahm in den letzten Jahren deutlich zu. 2024 wurde nahezu jeden zweiten Tag eine Frau Opfer eines Femizids, täglich versucht ein Mann eine Frau zu töten. Auch die Fälle von häuslicher und sexueller Gewalt stiegen drastisch an.
Doch die Unterdrückung von Frauen und Queers ist kein tragischer Fehler der bürgerlichen Demokratie oder das Werk einzelner „böser Männer“. Sie ist systematisch. Sie ist historisch gewachsen – und sie ist unverzichtbar für den Kapitalismus.
Seit es Privateigentum an Produktionsmitteln gibt, existiert das Patriarchat als Stütze der Klassenherrschaft. Die Familie wurde zur Keimzelle der Ausbeutung, zur kleinsten Fabrik für die Reproduktion der Arbeitskraft. Die Frau wird zur unbezahlten Arbeiterin im eigenen Zuhause degradiert, die Kinder großzieht, Alte pflegt, den Mann emotional auffängt, damit er am nächsten Morgen wieder für den Chef schuftet. Und wenn sie selbst arbeiten geht? Dann wartet die zweite Schicht nach Feierabend.
Frauen dürfen heute arbeiten, klar – weil sie müssen. In Deutschland ist ein Fünftel aller Menschen von Armut betroffen. Das trifft vor allem Frauen der Arbeiter:innenklasse, da für sie das Armutsrisiko deutlich höher ist, als für Männer. Denn sie arbeiten überdurchschnittlich oft in Care-Berufen, in der Pflege, in der Erziehung, in der Sozialen Arbeit, in der Hauswirtschaft– Berufen, die gesellschaftlich notwendig sind, aber keinen direkten Profit abwerfen. Der Staat organisiert Teile dieser Arbeit – nicht aus Fürsorge, sondern weil das Kapital sie braucht, damit die Arbeiter:innen nicht völlig zusammenbrechen. Doch weil diese Arbeit keinen Mehrwert schafft, wird sie systematisch abgewertet: Miese Bezahlung, schlechte Arbeitsbedingungen, ständige Überlastung. Denn für den Staat als ideellen Gesamtkapitalisten zählt nicht das Leben der Menschen – sondern die Rendite.
Wir haben genug. Genug von der Armut, die uns Arbeiterinnen aufgezwungen wird. Genug von der alltäglichen Gewalt, der wir ausgesetzt sind – ob auf der Straße, im eigenen Zuhause oder im Job. Genug von einem System, das uns ausbeutet, uns klein hält und uns dann erzählt, dass das alles unsere eigene Schuld ist.
Zu diesem System gehört die Polizei, die uns nicht schützt, wenn wir angegriffen werden und in jedem Fall Täter schützen würde, wenn wir uns zusammenschließen, um uns zu wehren. Die Justiz, die uns nicht glaubt und Vergewaltiger freispricht. Die Politiker:innen, die über Frauenkörper entscheiden, als gehörten sie ihnen. Das ist keine Fehlfunktion. Das ist Absicht. Der Staat stabilisiert die patriarchalen Verhältnisse, weil er selbst Teil davon ist. Er ist nicht neutral. Er ist Werkzeug der Kapitalistenklasse – und sie braucht die Frauenunterdrückung, um die Arbeitskraft billig zu halten, um die soziale Kontrolle zu sichern, um uns zu spalten. Jede frauenfeindliche Gesetzgebung, jeder unaufgeklärte Femizid, jede Kürzung in sozialen Berufen, jede Kriminalisierung von Abtreibungen ist Klassenkampf von oben.
Und bei all der verständlichen und angebrachten Sorge vor der kommenden rechten Regierung in Deutschland, dürfen wir uns keine Illusionen darüber machen, dass wir mit den anderen bürgerlichen Parteien wie der SPD oder den Grünen besser dran gewesen wären. Denn die Armut von Frauen nahm unter der Ampelregierung weiter zu. Die Gewalt gegen Frauen stieg, Abtreibungen sind immer noch nicht straffrei. Wenn die deutsche Außenministerin von „feministischer Außenpolitik“ spricht, meint sie nicht den Kampf gegen das Patriarchat – sie meint imperialistische Gewalt im neuen Gewand. Die Solidarität mit Frauen und marginalisierten Gruppen wird nämlich nur solange vorgeblich verfolgt, solange sie den deutschen Macht- und Profitinteressen nicht im Weg steht. Es ist kein Feminismus, gute außenpolitische Beziehungen zur Türkei, Saudi-Arabien oder dem Iran zu unterhalten. Es ist sicher kein Feminismus, wenn der ehemalige Al Qaida Kämpfer und neuer Machthaber in Syrien, Ahmed Al Sharaa, als gemäßigt bezeichnet wird. Es ist kein Feminismus wenn von den tapferen Kämpfer:innen in den kurdischen Autonomiegebieten in Rojava die Entwaffnung gefordert wird. Ausgerechnet Rojava, das seit Monaten konstant von der Türkei bombadiert wird und in der die Frauenbefreiung militärische und politische Praxis ist. Es ist kein Feminismus, wenn westliche Regierungen unter dem Vorwand, Frauenrechte zu verteidigen, Länder bombardieren, Ressourcen plündern und ganze Gesellschaften für die eigenen wirtschaftlichen Interessen destabilisieren. Das, was sie „feministische Außenpolitik“ nennen ist Imperialismus mit pinker Schleife. Ein Feminismus, der mit dem deutschen Staat, der NATO oder der EU paktieren will, verrät die Frauen und Queers weltweit – vor allem die im Globalen Süden, die unter Sanktionen, Kriegen und neokolonialer Ausbeutung leiden. Feminismus kann niemals mit den Herrschenden gehen – er muss gegen sie kämpfen.
Das Motto unserer Demo in diesem Jahr lautet: Die Angst muss die Seiten wechseln. Das bedeutet natürlich, dass es die sexistischen, prügelnden, mordenden und vergewaltigenden Männer sind, die Angst haben müssen. Angst davor, dass sie von organisierten Frauen und Queers gejagt und bestraft werden. Doch es reicht nicht nur gegen individuelle Täter zu kämpfen. Wenn wir hier aufhören verliert der Feminismus seine Kraft.
Die Angst muss die Seiten wechseln und auch zur Angst der Kapitalistenklasse werden. Die Angst vor einer geeinten Arbeiter:innenklasse, die sich nicht länger an der Geschlechterfrage spalten lässt. Einer Arbeiter:innenklasse, die entschieden gegen Patriarchat und Kapital kämpft: Für bessere Löhne in Care-Berufen, für körperliche Selbstbestimmung, für soziale und ökonomische Absicherung und kostenlose Gesundheitsversorgung. Doch das wahre Ziel unseres Kampfes muss sein die kapitalistische Produktionsweise anzugreifen. Wir müssen die Herrschaftsverhältnisse zerschlagen, die diese patriarchale Gewalt und Ausbeutung immer wieder reproduzieren. Wir kämpfen für eine befreite Gesellschaft, in der es keine Ausbeutung und keine Geschlechterhierarchien gibt.
Ein Feminismus, der den Staat schont, ist nichts wert. Ein Feminismus, der das Kapital verschont, ist Verrat. Wir werden keinen Frieden schließen. Nicht mit den Tätern. Nicht mit der Bourgouisie. Nicht mit diesem verdammten System und seinen Frauenfeinden.
Zerschlagt das Patriarchat!
Zerschlagt den Kapitalismus!
Kämpfen – bis wir frei sind!
Für die befreite Gesellschaft.
Für den Kommunismus.
Für alle Frauen und Queers, die noch leben – und für alle, die nicht überlebt haben.
Hoch die internationale Solidarität“