Die Angst muss die Seite wechseln. Internationale Solidarität gegen patriarchale Gewalt und Rechtsruck!
Ob in Saarbrücken, Deutschland, Europa oder weltweit – der Kampf der Frauenbewegung ist noch lange nicht gewonnen. Im Gegenteil: Global ist nicht erst seit gestern ein Rechtsruck in der Politik zu beobachten und mit ihm eine weitere Normalisierung patriarchaler Verhältnisse und antifeministische Angriffe auf bisherige Errungenschaften. Unsere Antwort auf diese Entwicklungen kann nur eine kollektive sein. Denn für gesellschaftliche Probleme kann es nur gesellschaftliche Lösungen geben und die müssen erkämpft werden! Lasst uns also gemeinsam mutig sein und diesen Verhältnissen unsere internationale Solidarität entgegensetzen – gemeinsam auf die Straße gegen patriarchale Gewalt und Rechtsruck! Die Angst darf nicht länger Frauen und Queers unterdrücken. Die Angst muss die Seiten wechseln!
Die gegenwärtige tödliche Realität für Frauen und Queers
Patriarchale Gewalt ist weltweit alltägliche Gewalt, auch in den modernen bürgerlich-demokratischen Gesellschaften. Das hat auch das vergangene Jahr gezeigt: In Frankreich hat das mutige und heroische Auftreten von Giselle Pelicot im Prozess gegen ihren langjährigen Ehemann, der sie jahrelang unter Drogen gesetzt und Dutzenden anderen Männern zur Vergewaltigung angeboten hatte, mit der weiblichen Opferrolle gebrochen und die Täter vor aller Augen in die Öffentlichkeit gezerrt. Sie prägte den Satz, der zum Schlachtruf der Bewegung gegen sexualisierte und sexuelle Gewalt wurde: „La honte doit changer de camp“ – die Scham muss die Seite wechseln.
In Frankreich gibt es einen Begriff für die Form der sexuellen Gewalt, die ihr angetan wurde: „Soumission chimique“ (deutsch: chemische Unterwerfung). Auch hier half der Mut von Gisèle Pelicot um dieses Thema in die Öffentlichkeit zu bringen. Ende letzten Jahres wurden auch in Deutschland dutzende Missbrauchs- und Vergewaltigernetzwerke auf sozialen Medien durch investigativen Journalismus aufgedeckt. Männer geben sich Tipps zur Betäubung von Frauen, teilen ihre Verbrechen an Frauen vor ihren Fans. Die größte dieser Gruppen hatte 70.000 Mitglieder. Der Besitz von Aufnahmen von Vergewaltigungen ist in Deutschland nicht strafbar.
Jeden Tag versucht in Deutschland ein Mann, eine Frau umzubringen. Jeden dritten Tag gelingt es ihm. Allein im Januar gab es bereits sieben Femizide. Sieben Frauen, die aus dem Leben gerissen wurden, weil sie Frauen waren. Darüber wird in den Talkshows nicht gesprochen. Und es ist nur die mörderische Spitze des Eisbergs patriarchaler Gewalt in einer Gesellschaft, die Frauen und Queers systematisch unterdrückt und bedroht. Sexuelle Gewalt und Übergriffe gelten als Kavaliersdelikt. Menschenhändler, Zuhälter und Freier machen Frauenkörper mit staatlichem Segen zur Ware. Häusliche Gewalt ist Normalität und das Schlagen von Frauen wird auf der ostfriesischen Insel Borkum als „Volkssport“ und schützenswerte Tradition zelebriert.
Patriarchale Gewalt trifft nicht nur Frauen, sondern alle unterdrückten Geschlechter. Sie richtet sich gegen alles, was als weiblich, als ‚unmännlich‘ gelesen wird. Queer zu sein bedeutet für viele Menschen, täglich Gewalt und Ausgrenzung zu erfahren. Wer sich den gesellschaftlichen Vorstellungen von traditionellen Geschlechterrollen entzieht, wird als Bedrohung der herrschenden Geschlechterordnung wahrgenommen und dafür bestraft: durch psychische, physische und sexualisierte Gewalt – sei es auf Ämtern, auf der Straße, am Arbeitsplatz oder im familiären Umfeld. Aber auch durch strukturelle Benachteiligung und Angriffe, die erkämpfte Rechte wieder rückgängig machen wollen. In Zeiten des Rechtsrucks wächst die Gefahr, dass weibliches und queeres Leben nicht nur gesellschaftlich, sondern auch staatlich repressiver bekämpft wird – sei es durch Gesetzesverschärfungen, Hetze in den Medien oder Angriffe auf offener Straße und in Schutzräumen. Gerade deshalb ist ein gemeinsamer Kampf von Frauen und Queers gegen Patriarchat und Rechtsruck unerlässlich.
Reaktionärer Backlash: Düstere Aussichten hier und weltweit
Während schon die aktuelle Realität unerträglich ist erstarken weltweit offen antifeministische Kräfte.
Mit Friedrich Merz wurde ein Frauenfeind Bundeskanzler, der mit den Faschisten der AfD zusammenarbeitet. Unter einem Mann, der sowohl gegen das Gleichstellungsgesetz als auch gegen die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe gestimmt hat, wird es wohl kaum einen feministischen Vorstoß im deutschen Recht geben. Dabei wäre ein solcher dringend nötig: Seit 1871 das Abtreibungsverbot im Strafgesetzbuch verankert wurde, hat sich in Sachen legaler Schwangerschaftsabbruch in Deutschland wenig getan. Lediglich in der DDR hatte ab dem 9. März 1972 jede Frau das Recht, bis zur 12. Schwangerschaftswoche einen Abbruch durch einen Arzt vornehmen zu lassen. Eine Errungenschaft, die mit dem Anschluss der DDR an die BRD wieder abgeschafft wurde. Daran hat sich bis heute nichts geändert, auch nicht unter der selbsternannten „Fortschrittskoalition“ aus SPD, Grünen und FDP. Die aktuelle Debatte um eine Reform des §218 scheitert an CDU, AfD und FDP.
Die AfD, die seit Jahren den Rechtsruck innerhalb aller deutschen Parteien maßgeblich geprägt hat, ist nun zweitstärkste Kraft im Deutschen Bundestag. Sie will die erreichten feministischen Fortschritte rückgängig machen und die hegemoniale Kleinfamilie mit einem männlichen Familienoberhaupt politisch und ökonomisch fordern und fördern. Paarfamilien sollen in Zukunft nur noch von einem Einkommen leben können, damit sich die Frau um möglichst viele Kinder kümmern kann. Damit wird sie aus dem gesellschaftlichen Erwerbsleben zurück an den heimischen Herd, zurück ins Private verbannt. Das führt vor allem dazu, dass es für Frauen schwieriger wird, sich von ihrem Mann zu trennen oder bei sexueller oder häuslicher Gewalt Hilfe zu suchen. Die AfD will zudem Alleinerziehenden, von denen 90 Prozent Frauen sind, bei ausbleibenden Unterhaltszahlungen die staatliche Unterstützung verweigern, wenn der Vater keinen Zugang zum Kind hat. In ihrem Wahlprogramm schreibt die AfD, dass Masseneinwanderung keine Lösung für den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel sei und dass eine Steigerung der Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung die einzig nachhaltige Lösung sei. Frauen sind für die AfD Gebärmaschinen, Mittel zum Zweck, um ihre nationalistischen Phantasien zu befriedigen.
Ein Blick über die deustche Landesgranzen hinweg ist nicht weniger besorgniserregend:
In Syrien ist nun eine Regierung aus ehemaligen IS- und Al-Qaida-Kämpfern an der Macht. Ihre erste Amtshandlung war die Absetzung von Richterinnen. Der neue Justizminister hatte in der Vergangenheit Steinigungen von Frauen angeordnet und zugesehen. Diese Islamisten wollen und werden die kurdischen Frauenverteidigungskräfte, die dem IS in der Vergangenheit die Stirn boten, auf das Schärfste bekämpfen.
Währenddessen wurde in den USA mit Donald Trump ein Sexualstraftäter und Frauenfeind wiederholt zum Präsidenten gewählt. Wichtige Regierungsämter werden mit Abtreibungsgegnern besetzt und frauen- und transfeindliche Gesetze verabschiedet. Die Folgen für Frauen sind fatal: Die Aufklärung sexueller Übergriffe wird erschwert, die Förderung vieler Hilfsprojekte für Opfer sexueller Gewalt gestoppt und alles daran gesetzt, legale Schwangerschaftsabbrüche in den USA unmöglich zu machen.
Seit 2022 regt sich feministischer Widerstand gegen das Mullah-Regime im Iran. Dieser wird brutal niedergeschlagen. Gegen die Aktivist:innen der Jina-Revolution verübt das Regime einen brutalen Hinrichtungsterror. Mehrere hundert Menschen, vor allem Frauen, wurden im vergangenen Jahr vom klerikalfaschistischen Staat Iran aus dem Leben gerissen. Doch die Bewegung, deren Kampfruf „Jin, Jiyan, Azadî (kurdisch: Frauen, Leben, Freiheit) lautet, existiert weiter und immer wieder wehren sich Frauen gegen das Regime. Erst im November ging die Geschichte von Ahoo Daryaie um die Welt. Aus Protest gegen die islamistischen Sittenwächter der Regierung zog sie sich in der Öffentlichkeit bis auf die Unterwäsche aus. Nach ihrer Protestaktion wurde sie von den Schergen des Systems verhaftet und in eine psychiatrische Anstalt gebracht.
Zeit sich international zu wehren: Die Angst muss die Seiten wechseln!
Ja, all diese Entwicklungen sind Gründe, Angst zu haben. Aber diese Angst darf nicht weiter bei uns Frauen, Queers, Arbeiterinnen bleiben – nein, sie muss die Seiten wechseln! Wir müssen zusammenstehen – gegen patriarchale Gewalt, gegen antifeministische Angriffe von rechts und gegen Verhältnisse, die unser Leben und unsere Freiheit zur Verhandlungsmasse machen. Dabei stehen wir in der Tradition der internationalen Frauenbewegung, die uns zeigt: Widerstand ist nie umsonst.
Überall auf der Welt kämpften und kämpfen Frauen gegen ihre Unterdrücker, für ihr Leben und ihre Selbstbestimmung. In Kurdistan kämpfen Frauen unter dem Ruf Jin, Jiyan, Azadî gegen patriarchale und islamistische Gewalt – mutig und entschlossen verteidigen sie militant ihre Freiheit. In Argentinien gingen Millionen Feministinnen gegen Femizide und für das Recht auf Abtreibung auf die Straße, in Polen legten Massenstreiks das Land lahm, um gegen das brutale Abtreibungsverbot zu kämpfen. Diese Kämpfe zeigen uns: Patriarchale Gewalt ist global – und unsere Solidarität ist es auch.
Wenn wir gemeinsam kämpfen, können wir etwas verändern. Frauen haben in der Vergangenheit hart erkämpft, was heute oft als selbstverständlich gilt: das Recht zu wählen und abzutreiben, das Recht auf Scheidung, Gewaltschutzgesetze. Doch diese Errungenschaften waren nie Geschenke, sondern das Ergebnis kollektiver Kämpfe. Und genau diesen Widerstand brauchen wir auch heute.
Die Angst, die so viele Frauen und Queers tagtäglich begleitet, muss endlich aufhören, unser Leben zu bestimmen. Stattdessen muss die Angst die Seiten wechseln! Männer müssen wissen, dass es Konsequenzen hat, wenn sie Frauen belästigen, dass sie ihren Job verlieren, wenn sie Kolleginnen schikanieren, dass sie geächtet und bestraft werden, wenn sie Frauen ausbeuten, bedrohen oder töten. Es darf nicht mehr sicher sein, patriarchale Gewalt auszuüben – es muss sicher sein, frei zu leben.
Deshalb müssen wir gemeinsam auf die Straße gehen. Nicht nur für uns, sondern für alle, die nicht sicher sind, ob sie nachts den Heimweg von der Kneipe überleben. Für die, die sich in ihrem eigenen Körper nicht sicher fühlen können. Für die, die jeden Tag gegen Gewalt kämpfen – und trotzdem weitermachen. Zu lange war die Angst auf unserer Seite!
Feminismus war schon immer international – und unser Kampf ist noch lange nicht vorbei. Lasst uns am 8. März gemeinsam zeigen, dass wir weder schweigen noch zurückweichen werden. Dass wir nicht länger bereit sind, Angst als Normalzustand zu akzeptieren. Denn ein Leben ohne Angst ist nicht zu viel verlangt – lasst es uns erkämpfen!
Die Angst muss die Seite wechseln!