Redebeitrag zur Demo ,,Der Tod ist ein Meister aus Deutschland – immer wieder, immer noch.“

– Paul Celans Worte stehen wie ein Brennglas über der Geschichte dieses verdammten Landes. Gerade hier und heute im Saarland zeigt sich das gut:

Wo sie heute die „deutsche Wiedervereinigung“ feiern, schallte es vor 90 Jahren noch „Heim ins Reich“ und „Deutsch ist die Saar“ durch die Straßen. Bei der Saarabstimmung 1935 stimmten über 90 % für den Anschluss an Nazideutschland. Damit stimmten sie für die „deutsche Volksgemeinschaft“, für den Antisemitismus,  für die Verfolgung von Kommunist:innen, für die Zerschlagung der Demokratie und die Verfolgung und Vernichtung von Millionen Menschenleben. Hier und heute feiern sie das wiedervereinigte Deutschland, das Auschwitz ermöglichte und umsetzte – und heute nichts mehr davon hören möchte.

Kaum regierten die gewählten Nazis, begann das erste deutsche „Wirtschaftswunder“. Die Arbeitslosigkeit schien besiegt, die Deutschen schienen erfolgreich, glücklich und zufrieden – und genau währenddessen mündete die vereinigte Volksgemeinschaft in brennenden Synagogen und Pogromen. Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Behinderte, Homosexuelle, und politische Feinde, alles, was sie als un-deutsch ausmachten, wurden systematisch verfolgt und vernichtet. Der Zweite Weltkrieg und mit ihm die Barbarei brach von Deutschland aus über die Welt herein. Die große Mehrheit der Deutschen jubelte Hitler zu, Fahnen schwenkend, im Taumel des nationalen Größenwahns und kollektivem Antisemitismus. Auf die Frage nach ,,Sozialismus oder Baberei“ antworteten die Deustchen mit Millionen Toten auf den Schlachtfeldern und in den Vernichtungslagern. Doch davon wollen sie heute nichts hören, deshalb ist es um so wichtiger, das wir heute hier stehen und zusammen laut sind.

Nach 1945 und der Zerschlagung Nazi-Deutschlands durch die Alliierten setzte sich der reaktionäre Strom fort – zunächst in zwei Staaten: Zum einen in der BRD, die in die Fußstapfen des Kaiserreichs und des „Dritten Reichs“ trat. Ihre Gründungsziele waren von Anfang an die „Wiedervereinigung mit den verlorenen Gebieten“, ein revanchistischer Angriff auf die Unabhängigkeit der DDR, Polens und der Tschechoslowakei. Vertriebenenverbände und Ministerien pflegten den deutschen Opfermythos, um territoriale Ansprüche aufrechtzuerhalten. Das Grundgesetz selbst schrieb den Auftrag zur Wiederherstellung der „Einheit“ Deutschlands fest. Einheit hieß dabei: die durch Krieg, Germanisierung und Kolonialismus eroberten, dann verlorenen Gebiete wieder „Heim ins Reich“ zu holen. Parallel dazu entstand in der sowjetischen Besatzungszone die DDR, ein antifaschistischer Staat, der seien eigenen Ansprüchen bald nicht mehr gerecht wurde. Denn auch hier siegte die deutsche Reaktion: Antisemitische Prozesse gegen pro-zioniostische Genossen wie Paul Merker, Unterstützung für die PLO im Vernichtungskrieg gegen Israel, und die Wiederaufnahme preußischer Militärtraditionen in der Nationalen Volksarmee sind nur einige Beispiele.

Dann, 1989/90 nach dem Fall der Mauer  verliefen die Wiedervereinigungspläne der BRD mit der bereitwilligen Mithilfe der DDR Bürger:innen erfolgreich. Auch hier offenbarte sich die deutsch-reaktionäre Beständigkeit erneut in aller Brutalität. Aus dem Ruf „Wir sind das Volk“ wurde rasch „Wir sind ein Volk“. Die sogenannte „friedliche Revolution“ entfaltete keine Freiheit, sondern entfesselte allenortens in Deutschland Nazigewalt. Deutschlandweit brannten Häuser von Migrant:innen, tobte der rassistische Mob auf den Straßen, prügelte, branntschatzte, mordete – Bullen schauten zu – und die Politik trug die Stimmung mit ins Parlament: Oskar Lafontaine, damals SPD-Chef und bis heute im Saarland sehr beliebt, trieb mit der „Petersberger Wende“ die Abschaffung des Asylrechts voran. Eine Entwicklung, die bis heute anhält und immer weiter eskaliert:  Bis heute ist die deutsche – und damit auch die europäische- Asylpolitik ein Instrument struktureller Grausamkeit: von Lagern unter Kohl über den EU-Türkei-Deal bis zur GEAS-Reform 2023, die Flüchtende in Gefängniskomplexe an Außengrenzen presst. Gleichzeitig ist Deutschland selbst Verursacher dieser Flucht: durch neokoloniale Ausbeutung in Afrika, durch Konzerne wie BASF oder VW, die große Teile ganzer Volkswirtschaften in Osteuropa und Afrika ihren Zwecken unterwerfen.

Der Antisemitismus durchzieht die deutsche Kontinuitäten. Die Shoah war kein Ausrutscher, kein zufälliger „Betriebsunfall“, sondern industriell organisierter Massenmord – getragen von der aktiven Mitarbeit, Zustimmung und dem Mitläufertum der Deutschen. Nach 1945 gab es keine wirkliche Aufarbeitung, sondern Schlussstrich-Rhetorik. Täter wurden integriert, die Erinnerungskultur degenerierte zur deutschen Folklore. Solidarität gab es nur mit toten Juden und Jüdinnen, während sich um den Schutz und die Forderungen lebender Juden und Jüdinnen nicht geschehrt wird. Ausgerechnet nach dem 7. Oktober 2023, dem Überfall der Hamas auf Israel, dem größten Massenmord an Juden und Jüdinnen seit der Shoa, zeigt sich ein Aufflammen des globalen Antisemitismus. Auch in Deutschland: Deutsche „Linke“ und Islamisten feiern die Hamas, diffamieren Israel als „Siedlerstaat“ gegen den jedes Mittel recht ist und skandierten „From the river to the sea“. Diese Täter-Opfer-Umkehr, verkleidet als Solidarität mit Unterdrückten, ist struktureller Judenhass – eine deutsche Spezialität, die selbst die Linkspartei erfasst. Wenn am Roten Rathaus und anderrorts Israelflaggen entfernt werden und sich Menschen mit Kippa nicht mehr auf die Straßen trauen können, setzt es deutsche Tradition fort: Jüdisches Leben bleibt bedroht, nur die Parolen ändern sich – aus „Juda verrecke“ wird „From the river to the sea“ –, aber die Message bleibt dieselbe: Man träumt von einer Welt ohne Juden – lautstark, Woche für Woche, Tag für Tag, ungestraft, auf den Straßen und in den Parlamenten in dem Land von Auschwitz, in dem Land der Täter.

Und das Saarland? Es ist Symbol all dieser deutschen Kontinuität im Kleinen. 1957 wurden nach einer erneuten Volksabstimmung die antifaschistischen Ansätze der Saar-Verfassung beseitigt. Alt-Nazis wie Franz Josef Röder übernahmen die Ämter, Straßen wurden wieder nach Kriegsverbrechern benannt. Heute betreibt Deutschland unter dem EU-Mantel in der „Großregion SaarLorLux“ dieselbe Dominanz: Saarbrücken als Wirtschaftszentrum presst französische Arbeiter:innen aus der strukturschwachen Grenzregion aus. Deutsch-französische Freundschaft? Ein Mythos. Im Rathaus hängt ein Gemälde des Kriegs gegen Napoleon, die „Ulanenkaserne“ der Polizei erinnert an deutsche Besatzer – Symbole ungebrochener Aggression, unaufgearbeiteter Geschichte, ungesünter Täterschaft!

Während noch das Blut an ihren Händen klebt, machen sich die ,,wiedergutgewordenen Deutschen“ auf zu neuen Schandtaten im Namen der deutschen Nation, des deutschen Kapitals und deutschen Großmachtstrebens.

Das meinen wir, wenn wir Celans Worte wiederholen: Der Tod ist ein Meister aus Deutschland – immer wieder, immer noch. Die deutsche Geschichte ist nicht die von „Einigkeit, Recht und Freiheit“, wie man sie heute verklärt, sondern die Geschichte der Reaktion, des Imperialismus und der Vernichtung – und der Verweigerung dafür die Konsequenzen zu tragen.

Und so stehen wir heute hier, inmitten einer BRD, die sich selbst als „Vollendung der Einheit“ feiert, während ihre wahre Einheit die Einheit von Antisemitismus, Rassismus, Repression und kapitalistischer Ausbeutung bleibt. Wer ehrlich erinnert, kann nicht feiern. Wer die Opfer im Sinn hat, ruft nicht „Deutschland“, sondern erhebt die Faust gegen diese Zustände und hält es mit Rosa Luxemburg, die schrieb: ,Klipp und klar müssen wir sagen, wie der alte Cato: „Im übrigen bin ich der Meinung, daß dieser Staat zerstört werden muß.““ (Rosa Luxemburg).

Dafür gilt es, uns zu organisiseren und eine Gegenmacht gegen diesen Staat aufzubauen. Und bis all diese Verhältnisse umgeworfen sind bleibt uns nichts, als unseren Schlusssatz von Marx mit Wort und Tat durch die Geschichte zu tragen – ,,Krieg den deutschen Zuständen!“

Vielen Dank und Nie wieder Deutschland!