Liebe Unterstützer_innen der Initiative, liebe Freund_innen und Genoss_innen
wir stehen hier heute gemeinsam mit Euch unter dem Motto „Viertel retten“. Wir als ConnAct unterstützen Euer Anliegen und eure Forderungen und freuen uns, dass durch Euch die städtische Privatisierungspolitik im öffentlichen Raum nicht unwidersprochen bleibt. Das ist wichtig und gut! Diese Politik ist Teil eines gesellschaftlichen Prozesses, welcher nicht nur in Berlin, Frankfurt oder Leipzig stattfindet. Nein steigende Mieten, Verdrängung, Spekulation betreffen uns alle und nicht nur die ärmsten Schichten der Gesellschaft.
Dass wir uns heute auf die drei Grundstücke hier am Max Ophüls Platz beziehen und diese zum Anlass nehmen, darf uns nicht davon abhalten den Bogen weiter zu spannen. Denn es kann nicht nur darum gehen romantisierend den hochgelobten Charme des Nauwieser Viertels heraufzubeschwören. Dieser ist nämlich ohnehin nur das Resultat vorangegangener Verdrängungsprozesse, unter denen eben vorher andere Schichten zu leiden hatten. Ohnehin gehört Saarbrücken zu den deutschen Städten mit der massivsten sozialen Ungleichverteilung, welche auch und vor allem entlang dem Wohnort in den verschiedenen Viertels ablesbar ist – Die Autoren einer Studie von 2018 verwenden hierfür den Begriff „Soziale Segregation“.Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2018, bezahlen die Menschen in Saarbrücken deutlich zu viel und darüber hinaus für viele zu kleine Wohnungen.
Und auch wenn wir uns beispielsweise als Student_innen, Auszubildende oder Arbeitende noch gerade so ein WG – Zimmer in der Innenstadt leisten können, sollten wir dieses Elend nicht noch als die besondere Vielfalt des Viertels retten wollen.
Deshalb dürfen wir uns nicht nur auf den Charme des Viertels berufen oder in Bürgerinitiativen verharren, die diplomatische Forderungen an die Stadt stellt. Sondern wir müssen mehr Schritte gehen in Richtung Kämpfen! Kämpfen für die wirkliche Aneignung unseres Lebens- und Wohnraums. Kämpfen für eine Stadt mit wirklicher Vielfalt, nämlich Vielfalt ohne Zwang und Elend – Eine Stadt für Alle!
Die Entwicklungen der letzten Jahre hier und im gesamten Viertel sind Ausdruck und Symptom von Verwerfungen, welche aus der besonderen Form des Immobilien- und Bodenmarktes in der heutigen Etappe des Kapitalismus hervorgehen. Wohnen ist in diesem Staat kein gesichertes Grundrecht. Vielmehr wird es für immer mehr Menschen mehr und mehr unbezahlbar. Geringverdiener zahlen auch im Saarland oft über 30% ihres Netto Lohnes an Miete. Was das bei Inflation, Teuerung und Gaspreisexplosion heißt merken wir inzwischen alle. Was für ein krasser Hohn ist es da, dass gleichzeitig das Recht auf Eigentum an Boden und Immobilien von diesem Staat geschützt ist. Dieses Eigentum wird aber nicht nur geschützt, sondern in den letzten Jahrzehnten auch zunehmend von städtischem Eigentum in privates verwandelt. Auch hier in Saarbrücken eifert die Stadt nach dem Motto „Großes entsteht immer im Kleinen“ den missratenen Vorbildern wie Berlin nach und verscherbelt fleißig ihre kommunalen Flächen. Einerseits um den Haushalt zu sanieren. Andererseits um die Verantwortung für seit Jahren brachliegende Flächen und Immobilien aus den Händen zu geben. Damit gibt sie aber nicht nur Verantwortung aus ihren Händen sondern überlässt die gesamte Wohnraumfrage alleine den Gesetzen des Marktes, welcher dies dankend annimmt und daraus vor allem lukrative also nur für wenige bezahlbaren Wohnraum macht – wenn überhaupt.
Wer hat, der hat. Die Bodenpreise explodieren, während die Stadt durch die Privatisierungen mehr und mehr zum eigenständigen Akteur der Spirale wird. So verkauft es sich auch nach außen besser: Wie sie es liebevoll nennen: „Verkauf mit Konzeptvergabe unter Bürger:innenbeteiligung“ – oder besser: Wie man durch Grundstückshandel über Nacht reich wird. Und so bekommt Saarbrücken hier ein weiteres Projekt, an dem entwickelt wird, an dem verdient wird, ohne dass es irgendeine Sicherheit gibt, dass das, was geplant wird, und sei es noch so sozialverträglich, auch tatsächlich realisiert wird. Ohne dass klar ist, dass die Kriterien, die von der Stadtverwaltung aufgestellt werden, auch dauerhaft umgesetzt werden. Ohne, dass klar ist, was mit den dort ansässigen Läden, den Mieter:innen der Gebäude passiert. Freuen kann sich das Kapital. Die Spekulation und der Handel mit Boden ist nämlich längst rentabler geworden, als es das Bauen ist.
Man muss sich bewusst machen: Die Mieten steigen, weil die Immobilienpreise steigen. Immobilienpreise steigen wiederum, weil die Bodenpreise seit Jahren extrem steigen. Immobilien haben nicht nur einen Gebrauchswert sondern eben auch einen Vermögenswert und werden so zu Anlagegegenstand wie Aktien oder Anleihen. Im heutigen Stadium kapitalistischer Entwicklung sind die Zinsen extrem niedrig und attraktive Anlagemöglichkeiten sind Mangelware. Das reichlich vorhandene Geldkapital drängt deswegen vermehrt in den Immobiliensektor. Diesem starken Zustrom an Geldkapital im Immobiliensektor steht mit Grund und Boden eine Ressource gegenüber, die sich nicht ins unendliche vermehren lässt. Also steigen die Bodenpreise – und zwar soweit, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung von bedarfsgerechtem Wohnraum oder Neubebauung ausgeschlossen wird.
Der Bodenpreis selbst kommt, da der Boden keinen Wert hat, also keine Arbeit verausgabt wurde, um ihn herzustellen, durch die Spekulation auf eine wertvolle Nutzung zustande. Insofern ist die Spekulation ohnehin nicht von Außen an das Grundeigentum herangetreten, sondern steckt notwendig in ihm und wird in der jetzigen Phase des Kapitalismus nur häufiger genutzt. In sofern bringt die Spekulation ohne reale Inwertsetzung des Bodens, wie wir sie heute oft erleben, das Grundeigentum auf seinen irrationalen Punkt.Die Umwidmung von beispielsweise unbebautem Gelände in Bauland oder allein das Aufstellen eines Bebauungsplanes reichen aus, um den Bodenpreis in kurzer Zeit zu vervielfachen. Genauso intransparent, wie die Entwicklung dieser Flächen, bleibt, wer sich in solchen Prozessen alles bereichert und welch verbrecherischer Methoden man sich diesmal bedient hat. Klar, dass das Alles gerade hier angeblich nicht passieren wird – das regelt ganz sicher wie immer der Markt.
All das ist der Stadt kein Geheimnis. Mit diesem Wissen verkauft sie hingegen rege weiter, anstatt Verantwortung für die letzten Jahrzehnte zu übernehmen, selbst etwas zu entwickeln, zu bauen, sich wieder anzueignen. Interessensgetriebene Politik – für Partei- oder Privatinteressen. Die Verantwortung für den maroden Zustand der Gebäude wird sich dann öffentlich hin und hergeschoben, sei es von SPD, Grüne oder CDU. Wenn die Übernahme von Verantwortung bedeutet, man seilt sich einfach ab und überlässt es nun Privaten – Applaus, Applaus! Die jetzigen Bewohner:innen und Betreiber:innen der Läden zahlen dafür mit der Aufgabe ihres Lebensraums, sei es weil sie am gesellschaftichen Leben nicht mehr teilhaben können oder sie räumlich ganz aus ihm verschwinden – denn auch der Widerspruch zwischen Lebenserhaltungs- , Mietkosten und vergleichsweise gleichbleibenden Löhnen verschärft sich immer weiter.
Deshalb braucht es radikale Antworten auf diese Probleme:
Denn die Antworten finden sich nicht im Wohnungsmarkt oder einer anderen Stadtplanungspolitik
Deshalb reicht es nicht Forderungen an den Staat oder die Stadt zu stellen, sondern wir müssen uns organisieren und Druck von Unten aufbauen. Das dies funktioniert sieht man an der Initiative DW enteignen in Berlin.
Unsere Forderungen müssen sich erhärten und der Drastik der Situation gerecht werden. Weg vom kleinbürgerlichen Denken, die Welt sei ein besserer Ort, wenn doch nur hier und da ein bisschen mehr reguliert wird, bei den Konzeptvergaben auf Umweltschutz geachtet wird, oder wir anfangen die Dinge selbst in die Hand nehmen zu wollen und mal eben schnell eine Genossenschaft gründen.
Solche Aktionen lenken nur davon ab, was das eigentliche Ziel sein sollte:
Wir wollen keine profitorientierte Stadtentwicklung! Wir wollen keinen grün angemalten Kapitalismus! Wir wollen eine Systemveränderung, die es nicht mehr möglich macht, dass Menschen nicht wissen, wie sie ihre Wohnung oder am Ende des Monats ihre Rechnungen bezahlen sollen. Eine Veränderung, die es verbietet, sich an Grund und Boden immer weiter zu bereichern, während andere im Winter überlegen müssen, ob und wann sie noch heizen. Wir wollen eine Kollektivierung der Grundstücke – ja – die kollektive Aneignung dessen, was nicht nur Wenigen gehören sollte. Um diese Probleme gemeinsam und demokratisch lösen zu können braucht es nicht weniger als einen Bruch mit der Eigentumsordnung und die Vergesellschaftung und demokratische Verwaltung von Grund und Boden, den vorhandenen Immobilien und den Plänen für neue Bebauung.
Es gibt hierfür keine Lösung innerhalb des bestehenden Systems! Es muss gebrochen werden mit dem Eigentum an Grund und Boden!
Gegen Staat und Kapital! Gegen den Ausverkauf der Stadt!