Um Corona zu bekämpfen, lässt sich die Bevölkerung so spontan wie bereitwillig auf breite Grundrechtseinschnitte ein. Die Pandemie wird seitens der Regierung benutzt, um einschneidende Maßnahmen durchzusetzen. Der Bundestag verschärft in einer Hauruck-Aktion das Infektionsschutzgesetz und greift damit erheblich in die Grundrechte ein. Eine Demonstration von Stärke und Entschlossenheit, so scheint es. Dabei sind es erst die Regierungsentscheidungen der Vergangenheit, die die momentane Situation zur Katastrophe machen: Neoliberale Glaubenssätze, ein privatisiertes Gesundheitssystem, die Masse prekär Beschäftigter und durch die Decke schießende Mietpreise:
Der deutsche Staat geriert sich als Krisenmanager, hat den Großteil der Probleme aber selbst verursacht
Aus Teilen der Gesellschaft werden aktuell Grundrechtseingriffe, Militarisierung und Polizeigewalt herbeigesehnt. Zwangsarbeit, Drohnenüberwachung, die Herausgabe von Bewegungsdaten, Militäreinsätze im Inneren… Der Virus wird als abstrakte Bedrohung eines ‚unsichtbaren Feindes‘ gezeichnet, das konkrete Szenario unzureichenden Zugangs zu medizinischer Versorgung lassen Nationalismus und den Schrei nach autoritären Antworten erstarken. Das lässt sich momentan allerorten beobachten. Diese und kommende Pandemien lassen sich zwar durch die Reglementierung individuellen Handels zur Risikominimierung, durch Repression, Misstrauen und totale Überwachung einschränken, aber nicht bewältigen.
Es braucht Solidarität und zielgerichtete Maßnahmen, wie eine gute und transparente Informationspolitik und ein gut ausgebautes, entprivatisiertes Gesundheitssystem, sowie ausreichende Testkapazitäten, statt einer Überwachungsmaschinerie.
Wir befinden uns in einem kritischen Moment: Der Staat schafft bleibende Fakten. Die Krise ist irgendwann vorüber, und mit ihr der gesellschaftliche Kontext und die vermeintliche Sinnhaftigkeit der beschlossenen Gesetze.
Die potentiell totalitären Instrumente aber bleiben
Ob Vorratsdatenspeicherung oder Staatstrojaner – die Erfahrung zeigt: Ist ein Präzedenzfall erst geschaffen, hat das Parlament den ausufernden Begehrlichkeiten der Sicherheitsbehörden nichts entgegenzusetzen. Sind die Befugnisse erst einmal grundsätzlich vorhanden, werden sie auch ausgeweitet und richten sich plötzlich potenziell gegen uns alle. Das zeigte sich etwa beim sogenannten Staatstrojaner: Ursprünglich eingeführt zur Bekämpfung von Terror und Kinderpornographie, wird er mittlerweile auch bei Bagatelldelikten eingesetzt. Bei Corona wird es nicht anders sein.
Verschärfung der saarländischen Polizeigesetze verhindern!
Die saarländischen Landesregierung derweil will die Verschärfung der Polizeigesetze und damit einhergehend deutlich mehr Überwachungsbefugnisse durchsetzen. Vom Staatstrojaner über präventive, elektronische Fußfesseln, KFZ-Kennzeichen-Scanning, Videoüberwachung des öffentlichen Raums und Bodycams ist alles dabei. Zwar wird diese Reform schon länger vorbereitet, der Zeitpunkt dürfte Bouillon aber gelegen kommen. In Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder zuletz Mecklenburg-Vorpommern kam es bei ähnlichen Gesetzesänderungen zu massiven Protesten. Dies wird durch die Ausnutzung der aktuellen Situation im Saarland verhindert. Die Verschärfungen werden auch genutzt, um während der Krise Aufstände oder sozialen Protest zu unterdrücken.
Damit wir über die Gesellschaft während und nach Corona mitentscheiden können, braucht es Aktionsformen, welche die epidemiologischen Erwägungen miteinbeziehen. Wir lassen uns die politische Praxis aber nicht verbieten!