Schon jetzt fehlen in Deutschland über 14.000 Plätze in Frauenhäusern für Betroffene von häuslicher Gewalt. Durch die häusliche Isolation sind Frauen und Kinder nun durchgehend mit der gewalttätigen Person eingesperrt und sind dieser so ausgeliefert. Zu Zeiten der Quarantäne in China verdreifachte sich die Zahl der Frauen, die sich aufgrund von Partnerschaftsgewalt an Hilfsorganisationen wenden mussten. Auch in Frankreich kam es in den ersten acht Tagen nach der Ausgangssperre zu einem Anstieg der häuslichen Gewalt von 32%.
Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen warnen indessen auch in Deutschland vor dem Anstieg von häuslicher und sexueller Gewalt. Auch und gerade in Zeiten einer Pandemie und sozialen Krise muss der Kampf gegen patriarchale Gewalt Teil der feministischen Praxis bleiben. Um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, wird vom Staat gefordert, Zuhause zu bleiben.
Um zuhause bleiben zu können, braucht es jedoch ein sicheres Zuhause
Mit einem gewalttätigen Mann eingesperrt zu sein, bedeutet derweil tägliche Lebensgefahr für Frauen und Kinder.
Hier zeigt sich erneut das Versagen des deutschen Staates, sowohl vor als auch während der Corona-Krise. Die schon zu knappen Frauenschutzplätze werden noch knapper. Es werden auch keine mobilen Beratungen mehr durchgeführt, da Schutzausrüstung fehlt. Der deutsche Staat verhängt also einschneidende Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen, ohne dabei Unterstützungsmöglichkeiten für die Frauen und Kinder anzubieten, deren Alltag von Gewalt geprägt ist.
Es darf nicht sein, dass es kaum Zufluchtsorte für von häuslicher Gewalt Betroffene gibt. Frauenhäuser und Beratungsstellen müssen endlich verstärkt unterstützt und ausgebaut werden.
Leerstehende Wohnungen und Hotelzimmer müssen den Betroffenen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.
Durch die Isolation ist es Frauen erschwert, unbemerkt vom gewalttätigen Partner Hilfe zu suchen. Der Wegfall des sozialen Umfeldes führt dazu, dass häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder schwerer bemerkt wird. Verletzungen bei Kindern, welche in der Schule oder im Kindergarten festgestellt werden würden, fallen nicht mehr auf. Das bedeutet für uns alle, dass wir besonders aufmerksam in der Nachbarschaft sein müssen.
Häusliche und sexuelle Gewalt ist keine Privatsache!
Bietet betroffenen Frauen und Kindern Hilfe an und solidarisiert euch mit ihnen. Wenn ihr in der Nachbarschaftshilfe aktiv seid, macht den feministischen Selbstschutz zu einem Teil davon, schafft Bewusstsein dafür, dass Opferschutz Teil der gesellschaftlichen Verantwortung ist.
Wir müssen auch jetzt den feministischen Selbstschutz organisieren!
Corona und Abtreibung
Im letzten Jahr gehörte der Kampf für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zu unserer politischen Praxis. Wir sind sowohl am International Safe Abortion Day auf die Straße gegangen, haben aber auch erneut die Proteste gegen den sogenannten „Marsch für das Leben“ der christlich-fundamentalistischen Piusbrüder mitorganisiert.
Unsere Forderung, dass die Entscheidung über den Körper von Frauen in Frauenhand liegen muss, bleibt auch zu Corona-Zeiten ein zentraler Bestandteil unserer politischen Arbeit. Da momentan keine persönlichen Schwangerschaftskonflikt-Beratungsgespräche mehr stattfinden können, schwenken jetzt nach und nach die Bundesländer auf Telefon- oder Videoberatungen um.
Selbst in der momentanen Situation verweigert der deutsche Staat der Frau ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung
Die Zwangsberatung muss endlich abgeschafft werden, die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch muss bei der Schwangeren liegen.
Durch Corona wird die ohnehin schon mangelhafte Versorgungslage bei Schwangerschaftsabbrüchen noch einmal verschärft. Schon vor der Pandemie gibt es nur 1.200 Ärzt_innen in Deutschland, welche einen Schwangerschaftsabbruch durchführen. Durch die Pandemie verschlechtert sich die wohnortnahe Versorgung, wenn diese Praxen schließen oder unter minimal Besetzung laufen müssen. Schwangere in bestimmten Regionen müssen oft über 120 Kilometer fahren, um den Abbruch in einer Klinik durchzuführen zu können. 60% der Schwangeren haben bereits ein Kind, jetzt sind auch noch Schulen und Kindergärten geschlossen. Dies verkompliziert den Schwangerschaftsabbruch erneut, wenn es niemanden gibt, der_die die Kinderbetreuung am fraglichen Tag übernehmen kann. Der Paragraf 219a erschwert Frauen den Zugang zu sachlicher Information generell schon – jetzt wird diese noch undurchsichtiger.
Momentan zählen Schwangerschaftsabbrüche zwar noch zu den medizinisch notwendigen Eingriffen, aber in einem offenen Brief warnt der Verein „Doctors for Choice“ schon jetzt, dass Schwangerschaftsabbrüche als Eingriffe abgelehnt werden können und davor, dass ohne eine klare Regelung Schwangere zu unsicheren Abtreibungsmethoden greifen werden.
Wir fordern weiterhin die sofortige Abschaffung der Zwangsberatung und der §§ 218 und 219 Stgb!
Der Schwangerschaftsabbrüche bleiben medizinisch notwendig und müssen als Notfallbehandlung gesichert werden!